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Archiv-Artikel

Nächtliche Einigung

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSORF

Die US-Abgeordneten im Kongress hatten gehofft, als sie in der Nacht zum Sonntag nach Hause gingen, dass schon die Ankündigung eines Verhandlungsabschlusses die Finanzwelt beruhigen würde. „Wir haben große Fortschritte gemacht“, erklärte die demokratische Präsidentin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Demokraten und Republikaner hätten sich im politischen Tauziehen um das 700-Milliarden-Dollar-Rettungspaket für die US-Finanzbranche weitgehend geeinigt. Wichtigster Kompromiss: Die ursprünglich geforderten 700 Milliarden Dollar, mit denen die Administration von US-Präsident George W. Bush den Banken faule Hypothekenkredite abkaufen wollte, sollen – zunächst – halbiert werden.

Bis in die frühen Morgenstunden hinein hatten die Spitzenvertreter des Kongresses miteinander gerungen. Schließlich verkündeten Pelosi und der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, den Durchbruch: „Wir haben eine mündliche Vereinbarung.“ Das Ganze müsse „noch zu Papier gebracht“ werden.

Die Einigung sieht vor, die von US-Finanzminister Henry Paulson verlangte Summe in mehrere Tranchen aufzuteilen. Die ersten 250 Milliarden Dollar sollen ausgeschüttet werden, sobald das Paket endgültig abgesegnet ist. Weitere 100 Milliarden Dollar stünden zur Verfügung, wenn der Präsident die Auszahlung für nötig hält. Die Ausschüttung der restlichen 350 Milliarden Dollar unterläge der Prüfung des Kongresses und würde zunächst zurückbehalten, hieß es.

Die grundsätzlich skeptischen Republikaner erreichten die Schaffung eines Versicherungsprogramms für hypothekenversicherte Wertpapiere. Damit sollen Risiken für Steuerzahler verringert werden. Verliert die Regierung Geld, müssten die Finanzinstitute den Schaden gegenüber den Steuerzahlenden ausgleichen.

Demokraten konnten sich bei dem Punkt durchsetzen, dass der Staat Anteile von den Unternehmen erhält, die Hilfen beantragen. Davon könnte die öffentliche Hand in Zukunft profitieren – sollte das Notpaket Erfolg haben und sollten sich die Wall-Street-Firmen erholen und wieder Profite machen. Außerdem werden Zahlungen an Spitzenmanager der betroffenen Unternehmen begrenzt. Den sogenannten goldenen Handschlag, bei dem das Ausscheiden von Managern aus dem Unternehmen mit Millionen versüßt wird, soll es nicht mehr geben – ein Punkt, der vor allem den Demokraten wichtig war.

Ein parlamentarisches Aufsichtsgremium unter Führung des Finanzministeriums soll die Umsetzung des Programms kontrollieren. Das Weiße Haus hatte zuvor versichert, sich der Kontrollaufsicht des Kongresses fügen zu wollen. Und auch die Regelungen hinsichtlich möglicher Interessenkonflikte zu respektieren, die die Rolle der Wall-Street-Firmen festlegen werden, die bei der Durchführung des Programms helfen sollen.

Unklar blieb zunächst, wann das Repräsentantenhaus und der Senat abstimmen werden. Möglicherweise könnte das Programm schon am Montag im Repräsentantenhaus verabschiedet werden.

Experten rechnen unterdessen mit weiteren Bankenpleiten in den USA. Die zu den führenden Großbanken zählende Wachovia steht nach Milliardenverlusten sowie einem Börsenabsturz unter Zugzwang und spricht laut Medien mit mehreren möglichen Käufern.