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Archiv-Artikel

blick in die historie

Männer für das große I

Von USCHE

Das große I zur geschlechtsneutralen Benennung wurde Anfang der 1980er Jahre im Umfeld der freien Radios in der Schweiz erfunden. 1984 wurde es von der Züricher Wochenzeitung woz übernommen, die es auch heute noch konsequent anwendet. 1986 brachte ein Mann das I zur taz: Oliver Tolmein. Bis dato hatte in der taz die Sprach-Verhackstückungsvariante Bürger/innen geherrscht. Von der taz aus trat es seinen Siegeszug durch Presselandschaft und Institutionen an. Verstaatlicht wurde es das erste Mal wiederum durch einen Mann: den Berliner Innensenator Erich Pätzold (SPD). Der ordnete es in der ersten rot-grünen Koalition im Juli 1989 für den gesamten Dienstverkehr an, angeregt durch die grüne Frauensenatorin Anne Klein. Natürlich gab es Protest im Berliner Parlament: Hanna-Renate Laurien (CDU) fragte an, ob „für die Normierung der deutschen Rechtschreibung nicht mehr die Duden-Redaktion und der Konsens der Landesregierungen mit der Bundesregierung, vielmehr die Anhängerschaft der AL maßgebend sein soll“. Inzwischen ist das große I Usus in vielen Amtsstuben und gebräuchlich in zahlreichen Formularen, aber kaum mehr in den Redaktionen. Auch aus der taz ist es weitgehend wieder verschwunden. Den letzten Versuch zu seiner Rettung führte wiederum ein Mann an: Der Justizkorrespondent aus Freiburg, Christian Rath, bemängelte 1998, dass der Binnen-I-Anteil unter zehn Prozent gefallen sei. Als eine von wenigen taz-MitarbeiterInnen verwendet noch Leserbrief-Redakteurin Gabi von Thun das große I auch heute konsequent. Doch sie ist anderen Lösungen, die der Sache dienen, nicht abgeneigt: „Manchmal gibt es schönere Formulierungen, die dennoch zeigen, dass auch Frauen gemeint sind.“ USCHE/TAZ