: Die heimliche Invasion
Hütet euch vor den Schweden! Ein Besuch bei dem großen Schwedenkritiker Jan Hansen
Schweden ist ein freundliches Land. Es liegt irgendwo hinter der Ostsee. Die Hauptstadt heißt Stockholm, die Königin Silvia Sommerlath, alle duzen sich und in den Wäldern lungern Elche herum. Eigentlich nichts, worüber man sich aufregen sollte. Wirklich nichts?
Jan Hansen schüttelt seinen Kopf. Wenn er aus dem großen Panoramafenster seiner Wohnung blickt, sieht er hinunter auf den Schwedenkai in Kiel. Dort legen die Fähren nach Göteborg ab. Im Sommer stauen sich die Familien-Kombis bis zur Autobahn. Vater, Mutter, zwei Kinder, anständige Leute mit Arbeitsplatz und Carport. Hansen hat lange gerätselt, was sie im Urlaub ausgerechnet nach Schweden treibt. Da gibt es doch nur Mückenschwärme. Irgendwas stimmt nicht. So fing das an.
Hansen lacht. Es klingt etwas unheimlich. Als würden Steine aneinander gerieben. Seine Pfeife nimmt er nie aus dem Mund, außer um sie zu stopfen. Im Wohnzimmer hängt der Qualm dick wie eine Gewitterwolke.
„Lesen Sie Bücher?“, knaatzt er, „Krimis? Nur noch Schweden. Oder Frauen. Schweden oder Frauen. Oder schwedische Frauen. Was anderes gibt es gar nicht mehr. Kerle wie Elmore Leonard sind aus den Regalen verschwunden. Wie bedrohte Tierarten. Links Leone, rechts Mankell, dazwischen nichts. Die Leone ist doch auch schwedisch.“
Husten. Draußen dröhnt ein Schiffshorn. Die Fähre aus Göteborg. Hansen stemmt seinen massigen Körper aus dem Ohrensessel. „Muss mal pissen“, brummt er und geht. Ein Kuckuck hüpft aus der Uhr. Aber warum zu dieser Uhrzeit? Es ist zwanzig nach drei. Am Kai hoppeln Volvos von der Fähre auf die Straße. Schweden auf dem Weg nach Süden. Sie hupen, wenn sie an Hansens Haus vorbeikommen. Manchmal hält einer an, zeigt auf das Fenster von Hansen und schimpft.
Die Spülung geht in der Tiefe der Wohnung. Hansen schnauft zurück. Wieder hupen von unten. „Einmal hat einer geschossen“, sagt Hansen. „Mit einem Luftgewehr.“ Er lässt sich keuchend in den Ohrensessel zurückfallen. „Es gibt keine Zufälle“, sagt er. „Man muss die Zusammenhänge sehen. Das Netz. Die Bedrohung.“
Er hat ein Buch geschrieben: „Die schwedische Gefahr“. Vor zwei Jahren. Er war auch bei Sabine Christiansen. Und bei Beckmann. Und bei Kerner. Er hat seine Botschaft verbreitet: Hütet euch vor den Schweden! Seitdem mag man ihn in Schweden nicht mehr. Hier hält man ihn für einen Spinner. Er selbst kommt sich vor wie Kassandra. Oder Lot. Oder beide zusammen. Und die Volvofahrer steuern ihre Wagen weiter unten vorbei und hupen oder schießen mit Luftgewehren. Vor drei Tagen war Hansen bei Fliege. Netter Kerl, sagt Hansen, aber keine Eier in der Hose. Vielleicht auch ein Schwede?
Innerlich hat Hansen längst aufgegeben. „Die Leute interessieren sich für jeden Dreck“, sagt er. „Für den Urwald, für Kompost, für den Irak, für Schröder. Sie glauben, es gäbe einen US-Imperialismus. Mac-Kultur. Dabei kommt die Gefahr aus dem Norden. Wie Gustav Adolf. Kleider von H & M, Möbel von Ikea, Musik von Abba, die Kinder werden früh mit Astrid Lindgren verdorben. Oder Petterson und Findus. Alles total schwedisch. Vollkommen durchdrungen. Von Geburt an. Das Ende ist nah.“
Er zieht die Nase hoch. „Wollen Sie Tee?“, fragt er und schlürft an seiner Tasse herum. Es klingt grauenhaft. Die Kuckucksuhr krächzt. Hansen starrt ins Leere. „Globalisierung“, sagt er plötzlich, „ist doch nur ein anderer Name für Schweden. Nur sind die nicht so doof wie die Amerikaner. Die machen keinen Krieg. Die eröffnen einfach Filialen.“
Später stehen wir am Fenster und schauen auf das Wasser. Die Fähre legt wieder ab. In ein paar Stunden ist sie in Göteborg. Bei Wallander. Hansens Atem rasselt. Unten, vor dem Haus, steht zur Abwechslung ein Saab. Der Motor läuft. Ein junger Mann rennt über die Straße. Kurze Zeit später erschüttert eine Detonation das Haus. Die Kuckucksuhr fällt von der Wand. Als sich der Qualm verzieht, ist der Saab verschwunden. Hansen grinst quer über sein rußverschmiertes Gesicht. „Das war Dynamit“, sagt er. „Von Nobel.“ Aus Schweden. Natürlich. VOLKER HEISE