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Archiv-Artikel

Die neue Achse des Guten

Schröder legt sich fest: Kein deutsches Ja im Sicherheitsrat zu Irakkrieg. Frankreich stärkt ihm den Rücken. Auch Chirac auf Anti-Bush-Kurs. Richter verlangt Bundestagsmandat für Awacs-Flüge

BERLIN taz ■ Es ist ein echter Schröder-Satz, halb ungelenk, halb deftig, mit dem der Bundeskanzler seine jüngste Wende in der Irakpolitik einleitet. Auf einer SPD-Kundgebung im niedersächsischen Goslar verkündete Gerhard Schröder am Dienstagabend: „Ich sage das hier jetzt ein Stück weit weitergehend als das, was ich in dieser Frage sonst formuliert habe: Rechnet nicht damit, dass Deutschland einer den Krieg legitimierenden Resolution zustimmen wird. Rechnet nicht damit!“

Innenpolitisch gerät Schröder gleichzeitig wegen der Beteiligung von Awacs-Flugzeugen an einem Irakkrieg unter Druck. Erstmals hat ein namhafter Jurist die Auffassung der Oppositionsparteien Union und FDP gestützt, wonach ein Awacs-Einsatz vom Bundestag beschlossen werden müsse. Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Hans Hugo Klein, sagte im taz-Interview, auch über dem Luftraum der Türkei „sind deutsche Soldaten Teil einer bewaffneten Unterstützung“. Klein gehört zu den Richtern, die das Awacs-Urteil von 1994 fällten. Der Kanzler hatte zuvor erklärt, eine deutsche Kriegsbeteiligung liege erst vor, wenn ein Bundestagsmandat notwendig werde.

Mit dem Auftritt von Goslar rückte der Regierungschef von seiner Vorgabe ab, an die sich bisher alle Minister zu halten hatten: keine Spekulation über das konkrete Abstimmungsverhalten Deutschlands im UN-Sicherheitsrat. „Er hat sich insoweit festgelegt, als es kein Ja geben wird“, sagte Regierungssprecher Thomas Steg gestern. Offen bleibe aber weiterhin, ob Deutschland sich enthalte oder mit einem Nein stimme. Der Hinweis, dass eine Enthaltung nach UNO-Regularien eine „Billigung“ bedeute, werde noch geprüft.

Wenige Tage vor der Übergabe des Berichts von Chefinspekteur Hans Blix an den UNO-Sicherheitsrat am 27. Januar wird damit eine zunehmende Spaltung des Gremiums deutlich. Frankreich und Deutschland stehen einem Krieg mit dem Irak skeptisch bis ablehnend gegenüber, während die Regierungen der USA und Großbritanniens ihre Rhetorik gegen Saddam Hussein verstärken. Schröder sprach vor diesem Hintergrund davon, die deutsche Haltung werde mehr und mehr „verstanden von den Partnern in Europa, in der Welt“.

Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac in Paris kündigte der Deutsche gestern außerdem an, beide Länder würden sich „engstens miteinander abstimmen“. Regierungssprecher Steg ergänzte, „wenn möglich“ sollte dies auch zu einem gemeinsamen Abstimmungsverhalten im Sicherheitsrat führen, wo Deutschland für zwei Jahre Mitglied ist.

Unklar ist derzeit allerdings, ob der Sicherheitsrat überhaupt über eine zweite Resolution abstimmen wird. Beobachter gehen davon aus, dass die USA einen Antrag nur einbringen, wenn eine Mehrheit sicher ist. Dazu darf keines der fünf ständigen Mitglieder ein Veto einlegen, und neun der fünfzehn Mitglieder müssen mit Ja stimmen.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer, erweiterte nun die Drohkulisse gegen den Irak um eine gegen die Vereinten Nationen: Ein Vorgehen gegen Bagdad sei auch ohne die UNO denkbar. PATRIK SCHWARZ

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