: Turbulenzen im vierten Akt
Nach dem Scheitern der Vertragsverhandlungen mit Generalintendant Klaus Pierwoß bittet Kultursenator Kuno Böse den Theatermann, „dass er die Tür nicht zuschlägt“ – und leidet unter der Kabinettsdisziplin
taz ■ Noch stehen beide Akteure auf der Bühne: Kultursenator Kuno Böse (CDU) habe ihm im Zuge der Bleibeverhandlungen „ein erniedrigendes Angebot“ unterbreitet. Das sagte Generalintendant Klaus Pierwoß gestern auf einer eilig einberaumten Pressekonferenz im Theater am Goetheplatz. Unter diesen Bedingungen werde er seinen im Sommer 2004 auslaufenden Vertrag nicht verlängern.
Das Angebot des Senats sieht vor, dass die Tarifsteigerungen von vier Prozent – Theatergehälter sind an die des öffentlichen Dienstes gekoppelt – bis Mitte 2007 zu drei Vierteln vom Land übernommen würden. Den Rest sollte das Theater selbst erwirtschaften. Keine derartigen Zusagen traf der Vorschlag für die folgenden Spielzeiten. Pierwoß hatte den vollen Ausgleich der Tarifsteigerungen bis 2009 gefordert. Das nun unterbreitete Angebot sei „kläglich“, argumentierte der Intendant. Es stelle eine faktische Kürzung des Theater-Etats dar. „Das ist eine schallende Ohrfeige für unsere Arbeit.“
„Wir dachten, es ginge hier weiter“, sangen unterdessen Ensemblemitglieder, im Hintergrund als Chor formiert, einen kulturpessimistischen Protestsong. „Saufen, saufen, fressen und ficken“, tönte dessen Kehrvers, „und die Kinder Becks holen schicken.“ Die Zeichen stehen auf Scheitern. Bestünden wirklich keine Chancen auf ein Bleiben des Intendanten? „Wir haben wenig Hoffnung“, resümiert Dramaturgin Rebecca Kolmann die Stimmung. Er könne zwar nichts ausschließen, so Pierwoß selbst. Er sei aber nach dem bisherigen Verlauf der Bleibeverhandlungen „äußerst skeptisch“, ob sich noch eine Basis für weitere Gespräche finde. Auch dränge die Zeit.
In der Tat: die offiziellen Verhandlungen hatten im Spätsommer begonnen. Deren Ziel – den Intendanten zu halten – stand bereits im April fest. „Eine Kommission einzurichten“ regte nun die kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Carmen Emigholz, ob der verfahrenen Situation an – ein echt sozialdemokratischer Vorschlag. Und die Grüne Ex-Kultursenatorin Helga Trüpel forderte Böses Rücktritt.
Von Amts wegen Gegenspieler antwortete der, sichtlich bewegt, kaum eine Stunde später. „Ich richte an Herrn Pierwoß die Bitte, dass er die Tür nicht zuschlägt.“ Er sei unverzichtbar – zumal für Bremens Bewerbung als Kulturhauptstadt. Er bitte ihn aber auch, so Böse weiter, „sich den Realitäten nicht zu verschließen“. So habe der Intendant keinerlei Kompromissbereitschaft gezeigt. Auch verbiete das Gesetz einen – von Pierwoß geforderten – Vertrag ohne Haushaltsvorbehalt. „In der taz hat mich jemand als Legalisten bezeichnet. Das trifft zu.“
Zugleich verwies Böse auf erhebliche Unterschiede zwischen seinen Vorstellungen und denen des Senats. Eine Abfuhr habe ihm die „Frühstücksrunde“ auch in der Frage der Tarifsteigerungen erteilt. Er hatte den vollen Ausgleich bis 2006/2007 gefordert. Zur Zeit werbe er im Kabinett für Umschichtungen von Theater-Ausgaben auf die Ressorts Wirtschaft und Finanzen. „Die Kultur hat aber in diesem Kreis keine gute Konnotation.“ Was das heiße? „Sie hat einen schlechten Ruf.“ Und er, „angetreten in dieser Stadt um eine Versöhnung zwischen den Bereichen der Kunst und der Wirtschaft“ zu erreichen, kämpfe dort für die Kultur. Schauspieler, Tänzer, Techniker – auch diese Pressekonferenz fand ihr Publikum. Überzeugend wirkte die nicht unpathetische Darstellung selbst auf die Theaterprofis: „Schleierhaft ist die Haltung des Senats“, sagten Mitglieder der Tanzcompany. „Wie will man Kulturhauptstadt werden – und die Kultur hat einen schlechten Ruf?“ Benno Schirrmeister