press-schlag : Gar nicht dünnhäutig
So schön der Fußball der TSG 1899 Hoffenheim ist, so bizarr wirkt das Auftreten ihrer Öffentlichkeitsarbeiter
Für Ralf Zwanziger ging Mittwoch „ein Traum in Erfüllung“. Der Sohn des DFB-Präsidenten Theo Zwanziger freute sich über die Auswahl Sinsheims zum Austragungsort für die Frauen-Fußball-WM 2011 – Zwanziger junior, 35, koordiniert den Mädchen- und Frauenfußball von Bundesligist 1899 Hoffenheim.
Es hätte ja womöglich kaum jemand mitbekommen, dass der Sohn des DFB-Präsidenten an maßgeblicher Stelle den oberligastarken Hoffenheimer Frauenfußball voranbringen soll. Aber einen Tag vor Bekanntgabe der WM-Austragungsorte veröffentlichte der Berliner Tagesspiegel einen Wortwechsel seines Chefredakteurs Lorenz Maroldt mit Markus Sieger, dem Pressesprecher von Hoffenheim, im Internet. Wegen eines Kommentars Maroldts will der Bundesligist künftige Anfragen des Blattes nicht mehr berücksichtigen. Auslöser für die scharfe Hoffenheimer Reaktion war, folgt man Sieger, eine Passage, in der die Anstellung Zwanziger juniors in Hoffenheim beschrieben wird.
Auslöser des Kommentars aber war, dass der DFB sich ein paar Tage zuvor der Pöbeleien gegen Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp angenommen hatte. Hopp hatte einen Dortmunder Anhänger verklagt, der ein Transparent in die Höhe hielt, der Hopps Gesicht im Fadenkreuz und darunter den Spruch zeigte: „Hasta la vista, Hopp!“ Ein geschmackloses Zitat aus einem Schwarzenegger-Film. Die Reaktion des DFB überraschte dennoch: Der Verband versprach, künftig Pöbeleien gegen Hopp „unnachgiebig zu verfolgen“.
Hat der DFB so etwas je angekündigt, wenn etwa Bayern-Manager Uli Hoeneß in den Stadien übel beleidigt wurde? Hat er nicht. Warum also gerade im Fall Hopp? Das darf ein Kommentar einer Zeitung fragen, auch wenn man auch über diesen dann geteilter Meinung sein kann. Es steht ja auch nirgendwo geschrieben, dass man 1899 Hoffenheim und seinen mit viel Geld von Hopp finanzierten Aufstieg aus der Kreisliga bis in die Bundesliga mögen muss. Zur Entschuldigung für die missratene Öffentlichkeitsarbeit des Vereins könnte man anführen, dass der nordbadische Bundesliganovize erst ein paar Monate im Fokus der bundesweiten Öffentlichkeit steht. Damit täte man den Protagonisten aber unrecht, die von sich in Anspruch nehmen, Profis zu sein.
Doch in Hoffenheim sind sie fast schon Meister in der Kunst, gute Nachrichten ruck, zuck mit schlechten aus den Schlagzeilen zu verdrängen. Gegen Dortmund feierten sie kürzlich ein brillantes 4:1, Spieler wie Demba Ba, Carlos Eduardo, Chinedu Obasi oder Luis Gustavo bereichern mit ihrer Spielkunst die Liga. Bevor sie Trainer Ralf Rangnick und Manager Jan Schindelmeiser entdeckten, hat diese Talente in Deutschland niemand gekannt. Davor zieht die Branche den Hut.
Aber schon nach dem starken Auftaktsieg in Cottbus verwunderte Rangnick mit der nicht haltbaren Behauptung, Cottbus habe einen ähnlichen Etat wie Hoffenheim, und trat damit die ungeliebte Gelddebatte selbst los. Den Hoffenheimer Protagonisten fehlt jede Souveränität im Umgang mit Kritik. Warum ignoriert man nicht Anspielungen auf Hopps Geld?
Stattdessen stehen sie sich in Hoffenheim selbst im Weg, jene wichtigen Faktoren zu gewinnen, die man sich für Geld nicht kaufen kann: breite Sympathie zum Beispiel. Neben einer kleingeistigen Dünnhäutigkeit stellt ihnen dabei notorische Besserwisserei ein Bein. Der Rauswurf von Hoffenheims Jugend- und Sportdirektor Bernhard Peters aus dem Kompetenz-Team des DFB wegen seiner Kritik an der Fitness deutscher Nationalspieler während der EM ist dafür nur ein Beispiel.
Selbst mit Niederlagen wie dem 4:5 in Bremen erfreuen sie ja das Publikum und die Vermarktungsstrategen der Liga. Durch den unsinnigen „Tagesspiegel-Boykott“ lenkten die Hoffenheim-Macher aber die Aufmerksamkeit nur drei Tage später wieder weg von ihrer außergewöhnlich sympathischen und guten Mannschaft. Pressesprecher Sieger schrieb in seinem Brief an den Tagesspiegel: „Ich möchte überhaupt nicht den Eindruck entstehen lassen, dass wir unter Umständen dünnhäutig wären.“ Ist ja prächtig gelungen. TOBIAS SCHÄCHTER