: Die Stille nach dem Filmstart
Die Meinungen zum Film „Der Baader Meinhof Komplex“ sind geteilt, bislang haben ihn aber schon 400.000 Besucher gesehen
Der Lärm ist vorbei, das mediale Rauschen verstummt. Selten ist ein deutscher Film mit so viel publizistischer Macht am Markt platziert worden wie der „Baader Meinhof Komplex“ von Uli Edel und Bernd Eichinger. Der Spiegel annoncierte vorab die wahre Geschichte der RAF, dargeboten von vielen deutschen Filmstars. Sogar Minister wurden in Pressevorführungen des teuersten deutschen Films aller Zeiten gesehen. Und wie bestellt verkündete Regisseur Uli Edel, dass er wüsste, wer Arbeitgeberpräsident Schleyer 1977 ermordete – allerdings wusste er dann doch nur das, was seit Jahren in jeder Zeitung steht. Und wie bestellt wurde eine Oscar-Nominierung vermeldet, allerdings nur von der deutschen Jury, was nicht viel heißt. Der „Baader Meinhof Komplex“ ist also ein Ereignis, das bei Partys und Anne Will diskutiert werden muss, so wie der neueste Klatsch zur Lage der SPD oder dem Börsencrash.
Der Film ist, kein Wunder bei dem Aufwand, ein Erfolg. Über 400.000 Zuschauer haben ihn bislang gesehen. Das ist nach einer Woche viel, aber weniger als bei ähnlichen Produkten aus dem Hause Eichinger wie bei „Der Untergang“ oder „Das Parfum“. Ansonsten herrscht jetzt eher merkwürdige Stille. In Hamburg warfen Linksaktivisten ein paar Marmeladengläser und Farbbeutel auf Stefan Austs Villa. Doch weiter keine aufbrausende Debatte, keine Staatsaffäre.
Der „Baader Meinhof Komplex“ ist ein Bilderbogen in Hochgeschwindigkeit, ein Volkshochschulkurs in Sachen RAF, aufgepeppt mit Pyrotechnik und Dolby-Stereoeffekten. Fast alle RAF-Filme der letzten Zeit haben ein Bild hinterlassen: ein Bild der Ausweglosigkeit wie Christian Petzolds „Innere Sicherheit“ oder eines der Trauer wie bei Andres Veiels „Black Box“. Der „Baader Meinhof Komplex“ scheint jedoch, wie viele Kritiker bemerkten, aus Bilder und Effekten zu bestehen, die sich gegenseitig überholen und auslöschen. So bleiben wenige Bilder haften.
Eines davon zeigt eine blaue Limousine an einer Kreuzung. Ein Motorrad hält daneben. Zwei Fahrer sitzen darauf, mit schwarzen Helmen. Generalbundesanwalt Buback blickt in die undurchdringlichen schwarzen Visiere der beiden Motorradfahrer. Und lächelt, als würden zwei niedliche Kinder auf ihrem Tretroller neben ihm stehen. Dann feuern die beiden Attentäter, Blut spritzt, Halsschlagadern platzen, Geigen pulsieren. Warum lächelte Buback?
Der Generalbundesanwalt muss in dieser Szene lächeln, 1977 in der Hochphase von Terrorbekämpfung und RAF-Anschlägen. Er soll sympathisch wirken, ein Kitschlächeln, das Mitgefühl abringen soll. Dieses Lächeln könnte darauf deuten, dass die Macher für einen Moment begriffen haben, wie brüchig ihr Konzept ist, „the best of RAF“ zu bebildern und getreulich nachzuahmen.
Die Stille nach dem „Baader Meinhof Komplex“ hat vermutlich mit dem Aseptischen des Films zu tun und deutet auf eine Ermattung nach dem PR-Orkan. Kein Thema ist (oder war?) so hysterieanfällig wie die RAF. Eine Berliner Kunstausstellung zum „Mythos RAF“ wurde 2003 noch als „Terror-Ausstellung“ verleumdet. Und die Frage, ob Christian Klar ein Jahr kürzer in Haft sein sollte, war eben noch eine der Staatsraison.
Die Einsprüche gegen den „Baader Meinhof Komplex“ waren teilweise ästhetischer Natur oder richteten sich gegen die Vorherrschaft des Marketings. Doch die eingeprobten Reiz-Reaktions-Schemata, die Mechanik der Rechthaberei in Sachen RAF schien bemerkenswert abwesend. Vielleicht ist die Stille nach dem Film also ein gutes Zeichen. Vielleicht ist es auch ein Indiz für ein gesunkenes Hysterie-Level und für eine voranschreitende Historisierung der RAF. So zeigt ausgerechnet dieser Film, der wie kein zweiter Bedeutung, Affekte und Wichtigkeit für sich reklamiert, dass das Thema RAF in die Ferne rückt. Was für eine ironische Volte.
STEFAN REINECKE