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Archiv-Artikel

Hörmarathon im Sendesaal

80 MusikerInnen spielten für den Erhalt des Klangwunders von Radio Bremen

Man kann wirklich alles hören: Auch in den hintersten Stuhlreihen war das Anknipsen eines Scheinwerfers deutlichst zu vernehmen. Das „Studio F“, der Sendesaal von Radio Bremen an der Bürgermeister-Spitta-Allee hat eine nahezu perfekte Akustik. Der Architekt Wilfried Turk nennt ihn „eine Stadivari unter den Konzertsälen“.

Und auch die Musiker lieben diesen Raum – es ist, so Nicolaus Harnoncourt, „einer von den Sälen, die man wirklich gerne hat“. Jazzer wie der Saxophonist Tim O’Dwyer konzedieren ihm „a living silence, not a dead silence“. Dennoch droht dem Saal durch den Sender-Umzug das Aus. Jetzt, zum 50. Jubiläum des Studio F – das Radio Bremen tunlichst zu feiern versäumte – veranstaltete der „Verein der Freunde des Sendesaals“ eine Konzertnacht für das Schmuckstück.

Und alle wollten sie mitspielen, natürlich ohne Gage: Ein Programm von 300 Minuten reiner Musik hätten die Organisatoren so zusammenstellen können, aber wer sollte das alles an einem Abend hören? Also wurde gekürzt, allerdings nicht allzu radikal, sodass am Sonntag Abend immer noch fünfeinhalb Stunden Konzert mit über 80 MusikerInnen stattfand: Musik von 18 Uhr abends bis 1 Uhr in der Frühe – das war eher eine Demonstration als ein Konzert.

Beeindruckend war neben dem hohen musikalischen Niveau die Vielfalt des Gespielten. Das ging von Bach bis zu Cage, von Neuer Musik bis zu Kompositionen aus dem 14. Jahrhundert. Oder von den Jazzimprovisationen Uli Beckerhoffs bis zur „body perkussion“ David Puntos: Vier Schlagzeuger schlugen sich so auf die Schenkel und andere Köprerteile, dass es verdächtig an einen Schuhplattler erinnerte. Das Orchester der Sendesaalnacht unter der Leitung von Rainer Mühlbach ließ zusammen mit dem Pianisten Patrick O‘Byren die schön theatralischen Knalleffekte eines Klavierkonzerts von Beethoven erschallen; ganz nah an der Stille waren dagegen einige Soli wie die von Claas Harders auf der Gambe oder dem Gitarristen Hans-Wilhelm Kaufmann.

Manchmal war auch die Auftrittsdramaturgie sehr geschickt, etwa wenn direkt auf „musica nova“ (Klaus Heidemann Bratsche und Jens Carstensen Live-Elektronik) „musica antiqua“ (Stephan Schrader Barockcello und Renate Bratschke Orgelpositiv) folgte. Neun Komponisten – darunter Mauricio Kagel – hatten kurze Stücke als „Grußkarten“ geschickt.

Als Conférencier führte Owi Weber durchs Programm und wies dabei immer wieder auf die „Fluchtmöglichkeiten“ hin: Die Kantine von Radio Bremen war geöffnet, man konnte im Foyer die Auftritte über Lautsprecher und Bildschirm verfolgen. Seltsam war nur, dass diese „Nacht für den Sendesaal“ nicht live von Radio Bremen übertragen wurde. Wilfried Hippen