Nur die Stille vor dem Proteststurm?

An den Berliner Universitäten bleibt der Protest gegen einen Irakkrieg bisher aus. Nur Attac-Gruppen mobilisieren zur Großdemonstration im Februar. FU-Professor Altvater: Hochschulen sind nicht mehr Zentrum politischer Aktionen

Von einem drohenden Krieg im Irak ist an den Berliner Universitäten nichts zu spüren. An den schwarzen Brettern kommt das Thema erst gar nicht vor. Die „Endlösung der Tschetschenienfrage“, der Bankenskandal, eine Infoveranstaltung für „potenzielle terrestrische Astronauten“, alles erregt offenbar mehr Unmut oder Interesse als die Irakfrage. Nur die Hochschulgruppen von Attac werben mit Plakaten und Flyern zur europaweiten Großdemonstration am 15. Februar und zur Abschlussveranstaltung der Attac-Friedenstour an diesem Donnerstag.

Beim Golfkrieg vor 12 Jahren waren die Studenten zusammen mit Schülern und Kirchen noch treibende Kraft der Friedensbewegten. Heute regt sich der Protest zwar wieder, doch an den Unis bleibt es merkwürdig still. Hin und wieder wird der Konflikt in Seminaren und Vorlesungen zwar thematisiert. Zur Selbstorganisation der Studenten kommt es aber kaum, größere Protestaktionen oder kurzfristig anberaumte Diskussionsrunden gab es bisher wenig.

„Antikriegsaktionen? Da wissen wir nichts von“, wird man beim RefRat der Humboldt-Universität abgewiesen. Über die Gründung eines Antikriegskomitees hätten sie schon mal nachgedacht, sich aber noch nicht einigen können. Ähnlich ist die Stimmung in Dahlem. Beim AstA der Freien Uni (FU) sitzt zwar ein Iraker am Telefon, den die Frage durchaus interessiert. Über Veranstaltungen gegen einen Krieg am Golf kann er aber auch nichts sagen.

„Die Uni ist nicht mehr der Ort, an dem man politische Aktionen organisiert“, erklärt Elmar Altvater, Professor am Otto-Suhr-Institut der FU (OSI). Die Studenten in seinen Seminaren seien nicht unpolitisch. Zum Großteil sprächen sie sich gegen einen Krieg im Irak aus, doch an Veränderungen glaubten die wenigsten. „Es herrscht eine breite Resignation. Viele sind einfach konsterniert.“ Wenn Einzelne aktiv würden, dann in Initiativen außerhalb der Universität.

Ein Armutszeugnis für die Studenten? „Nein“, meint Lars Rensmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am OSI, der vor zwölf Jahren als Student selbst noch auf die Straße ging. „Man kann heute nicht mehr sagen: Alles, was sich bewegt, ist gut.“ Weniger Aktionismus könne auch positiv sein.

Für Hans-Peter Müller, Professor am Sozialwissenschaftlichen Institut der Humboldt-Universität, liegt der Grund für die Protestlosigkeit seiner Studenten auf der Hand. „Wenn man eine Regierung hat, die sich auf ein definitives Nein festgelegt hat, muss man nicht demonstrieren.“ Das sei wie Eulen nach Athen tragen. Wenn die ersten Bomben fielen, könnte sich das aber schlagartig ändern. „Dann brechen die Aggressionen aus, und auch die Studenten sagen: So geht’s aber nicht“, mutmaßt Müller. Das glaubt auch Elmar Altvater. „Hunderttausende werden bei der Großdemonstration am 15. 2. auf die Straße gehen“, schätzt er. Dann wäre es aber eigentlich schon zu spät.

ANTJE LANG-LENDORFF

Abschlussveranstaltung der Attac-Friedenstour „NO WAR on Iraq“ am Donnerstag, 19 Uhr, HU, Hörsaal 3038