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Archiv-Artikel

Ausstieg findet wenig Anschluss

Eigentümer protestieren gegen Ende der Anschlussförderung. Auch der Mieterverein hält das Votum der SPD-Fraktion für problematisch. Die Opposition reagiert gespalten

Hartmann Vetter war sich letzte Woche noch sicher. Kompletter Ausstieg aus der Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau? „Das kann die SPD-Fraktion nicht machen, das ist der sozialdemokratischen Stammklientel nicht zumutbar.“ Zu groß sei die Gefahr von abrupt ansteigenden Mieten. Der Chef des Berliner Mietervereins irrte, die Fraktion votierte am Sonntag für den Totalausstieg. „Wohnungspolitisch ausgesprochen problematisch“, kommentierte Vetter gestern. Noch heftigere Kritik kommt von Eigentümerseite: Der Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen sieht einen „beispiellosen Vertrauensbruch im Umgang mit Investoren und Mietern“.

Gegen den Willen von Bausenator und SPD-Landeschef Peter Strieder hatte die Fraktion beschlossen, komplett aus dem milliardenschweren Fördersystem auszusteigen. In Richtung des von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) geforderten Totalausstiegs steuert auch der Senat, der nächste Woche entscheiden will. Für Mieter soll es bei „unbilligen Härten“ bislang unbezifferte Hilfen vom Land geben.

Der Mieterverein hatte zwar einen Schnitt befürwortet, sich aber für die weichere Lösung ausgesprochen, die eine vom Senat eingesetzte Expertenkommission vorgeschlagen hatte. Sie wollte die Anschlussförderung durch Einzelverträge zwischen Land und Eigentümern ersetzen. Das sollte vor übergroßem Mietanstieg schützen. Dieser Linie neigt der PDS zu, deren Fraktion sich heute festlegen will. Die PDS-Position bezeichnete Mieterchef Vetter als „vernünftige Diskussionsgrundlage“.

Der Eigentümerverband sieht hinter dem SPD-Beschluss „einen bewussten Einstieg in die entschädigungslose Enteignung“. 50.000 betroffene Anleger hätten zum Teil über Jahrzehnte ihr Geld angelegt. Der Ausstieg führe „zu einem ungeheuren Imageschaden für künftige Investitionen in Berlin“, sagte Verbandschefin Hiltrud Sprungalla. Sie kündigte Musterprozesse gegen den Ausstieg an.

Die Opposition im Abgeordnetenhaus, das sich am Donnerstag mit dem Thema befassen soll, reagierte unterschiedlich auf das SPD-Votum. Die Grünen-Fraktion begrüßte den Beschluss: Damit habe die SPD sich einer seit langem von den Grünen erhobenen Forderung angeschlossen, sagte ihre Baupolitikerin Barbara Oesterheld.

Die Fraktionen von CDU und FDP befürworteten zwar den Ausstieg, lehnten jedoch die Radikalvariante ab. FDP-Experte Klaus-Peter von Lüdecke sah große Risiken für den Landeshaushalt, weil das Szenario nicht durchschaubar sei. Aus FDP-Sicht ist nicht abschließend geklärt, ob die Eigentümer nicht doch einen Rechtsanspruch auf Anschlussförderung haben.

Der baupolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Fritz Niedergesäß, hatte sich schon vor Wochen gegen eine fallbeilartige Lösung ausgesprochen. Die jetzige Entscheidung der SPD bezeichnete er als „Bankrotterklärung ihrer eigenen Wohnungspolitik“. Eigentümer wie Mieter seien angesichts bevorstehender Rechtsstreite stark verunsichert.

STEFAN ALBERTI