babybumm von ILKE S. PRICK
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Ich will ein Kind, jetzt sofort! Ich habe meine Gründe. Es liegt nicht an meiner biologischen Uhr und auch nicht an einer Überdosis Frauenzeitschriften. Kolumnen von bekennenden Nicht-Müttern lese ich nicht mehr, denn alle kommen am Ende ihres Zeilenhonorars zu dem selben Schluss: wie toll es dann doch wäre mit Kind, wo ihre Freundinnen jetzt auch einen kleinen Finn oder eine Fiona haben.

Strahlende Kinderaugen und Babygeruch. Alles Quatsch. Auch ich habe Freundinnen mit Kind. Sie riechen nach Möhre, Spinat und saurer Milch. Es ist nicht schön. Ich brauche keinen Umweg, um das mit dem Kind zu begründen. Ich sag es direkt: Ich will ein Kind als Waffe!

Vorbei ist die Zeit, in der ich wehrlos im Schulbus unter alten Herren leide, die mir mit ihrem Versehrtenausweis fast die Backe aufschlitzen, um an einen Sitzplatz zu kommen. Erledigt auch die Zeiten im Supermarkt, wo jedes Mal ein Einkaufswagen in meinen Hacken landet, wenn ich an der Käsetheke eine Zehntelsekunde zu lange über Brie und Greyerzer nachdenke. Ich kaufe nur noch in Geschäften, in denen es kleine Körbchen gibt. Doch die Bedrohung verfolgt mich weiter und hat einen neuen Namen: Mutterliebe!

„Darf ich mal?“ Mit diesen Worten knallt ein Buggy an mein Scheinbein. Ich schaue zu, wie sich ein modisch-forsches Barett eine Schneise zwischen den Regalen bahnt, höre hier ein „Au“, dort ein Schnaufen und hoffe nur, dass wir uns nicht an der Kasse wiedertreffen. Dann kann ich mich nämlich schon auf ein „Sehen Sie nicht, dass es gleich schreit? Sie können doch ein Kind nicht warten lassen!“ einstellen. Alles wird zur Seite weichen. Kinderhasser sind nicht gern gesehen. Mit einem „Ich leide an Panikattacken!“ oder „Ich habe auch einen schlechten Tag“ kann man solche Resultate nicht erzielen. Das macht mich richtig neidisch. Bei Brutverteidigung zählen andere Regeln.

Und moralische Daumenschrauben. „Was soll das heißen: Es war deine Porzellankanne? Hauptsache, dem Kind ist nichts passiert!“ Besser noch: „Ein Kind muss in der U-Bahn sitzen!“ Ich rücke zur Seite, um den Platz dann auch noch mit den mütterlichen Einkaufstüten zu teilen. Das anschließende „Haben Sie etwa Probleme mit Kindern?“ lasse ich unkommentiert, weil ich damit beschäftigt bin, den Abdruck eines dreckigen Gummistiefels von meiner Hose zu streichen. Wandelnde biologische Waffen.

Eine Offenbarung war mir schließlich ein Kinderwagen, aufgerüstet wie ein „Leopard“-Panzer. Im unteren Tragekorb zwei Schirme, die beim Einfahren der U-Bahn mit einem gezielten Stoß die Unterschenkel der Mitreisenden massakrierten. Die hatten es nämlich vergessen: Mütter und Kinder zuerst. Da hab auch ich’s kapiert!

Ich will nicht länger auf die Menopause warten, um meine Egozentrik auszuleben. Ich will das alles schon jetzt. Wenn ich dazu ein Kind brauche, auch gut. Daheim gibt es nun eine Aufrüstungsdebatte, und ich verspreche: Ich schlage zurück! Mit meinem Mutterpass werde ich mir überall einen Sitzplatz erkämpfen. Und freien Eintritt, egal wo.