: Vom Freund zum Freundchen
Selten war ein Arte-Themenabend so aktuell – und noch dazu von RTL koproduziert: „Pulverfass Irak – Unser Freund Saddam“ bilanziert, wie stark der Diktator vom Westen gefördert wurde (20.40 Uhr)
von RAINER BRAUN
Derzeit scheint der Krieg gegen den Irak kaum noch abwendbar, merkwürdig tief gehängt wird in der Debatte nur allzu oft, woher sich der Diktator in Bagdad all seine Vernichtungswaffen beschafft hat. Kundige Nachhilfe nicht nur in dieser Hinsicht erteilt nun „Unser Freund Saddam“. Trotz des leicht süffisanten Titels geht es in der knapp einstündigen Dokumentation von Antonia Rados vor allem um Fakten und Hintergründe.
Wer einen Blick in das „Museum des Triumphes“ in Bagdad werfen darf, wird darin viele Geschenke entdecken können, an die sich die entsprechenden Ministerpräsidenten und Regierungsmitglieder aus dem Westen nicht mehr gerne erinnern. Brisanter aber sind jene Waren und Güter, die in den letzten 30 Jahren an den Diktator in Bagdad geliefert wurden.
„Unser Freund Saddam“ hat Arte deshalb nicht von ungefähr den Auftakt seines Themenabends zum „Pulverfass Irak“ überschrieben. Pünktlich zur Reaktion von US-Präsident George W. Bush auf den vorläufigen Bericht der UN-Waffeninspektoren wird die aktuelle Situation zwischen Euphrat und Tigris („Hass im Herzen“, 21.40 Uhr, „Die Söldner des Saddam Hussein“, 22.30 Uhr) reflektiert und zugleich ein kenntnisreicher Rückblick auf den Diktator und seine internationalen Beziehungen gestattet.
Bemerkenswert ist dabei, dass sich RTL dem Vernehmen nach kurzfristig und unbürokratisch zur Koproduktion von „Unser Freund Saddam“ bereit erklärte. Hauptgrund für die Entscheidung von RTL-Chefredakteur Hans Mahr dürfte gewesen sein, dass mit Antonio Rados eine der versiertesten und kompetentesten KorrespondentInnen des Kölner Senders für den Beitrag verpflichtet wurde.
Sachliche Bilanz
Die ungewöhnliche Zusammenarbeit hat erfreulicherweise einen außergewöhnlich dichten und fundierten historischen Abriss entstehen lassen: Nüchtern und sachlich bilanziert der exzellente Beitrag die vielfältigen, wenn auch nicht immer offiziellen Beziehungen des Diktators mit seinen westlichen Geschäftspartnern und Politikern. So überzeugt Rados im Detail mit solider Recherche, opulentem Bildmaterial und den hochkarätigen wie aussagekräftigen Zeitzeugen: Zu Wort kommen Saddams Stellverteter Tarik Aziz, Waffenhändler, exilierte irakische Wissenschaftler, aber auch Frankreichs ehemaliger Verteidigungsminister Chévenement und der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele.
Ausgangspunkt des historischen Rückblicks ist das Jahr 1974, als eine Delegation irakischer Wissenschaftler nach Paris fährt, um das Atomprogramm in Bagdad voranzutreiben. Auch wenn Saddam zu jener Zeit nur als der kommende starke Mann gehandelt wird, ist er sich seiner Macht längst bewusst. Als der damalige französische Ministerpräsident Chirac ihn sechs Monate später trifft, um über den Verkauf von Mirage-Jets zu verhandeln, erweist sich Saddam außergewöhnlich geschäftstüchtig: Geschickt spielt er die Sowjetunion gegen Paris aus – wie er auch im Krieg gegen den Iran davon profitieren wird, dass der Westen das Chomeini-Regime noch weniger goutiert als sein eigenes. So will er in der Folgezeit vor allem vom Westen erhalten, was er unter „Technologie-Transfer“ versteht – und diese Rechnung geht auf.
Deutsche Firmen liefern offiziell Fabriken zur Pestizid-Produktion, die freilich auch zur Giftgasherstellung genutzt werden, Helikopter und Milzbranderreger kommen aus den USA, Rohmaterial für seine Nuklearpläne liefern Franzosen und Italiener. Es ist deshalb kein Zufall, dass Giftgas aus Mirage-Flugzeugen versprüht und Hubschrauber aus den USA eingesetzt werden, als Saddam 1988 die Kurden im Irak attackiert. Die weiteren Folgen dieser Entwicklung dürften weitgehend bekannt sein. Und bleiben durch die ungemein kompakte Darstellung von Antonia Rados doch beeindruckend.
So darf man denn auf die unterschiedliche Rezeption von „Unser Freund Saddam“ – die Frankreich-Premiere war am Wochenende – gespannt sein. Denn während es etwa in Deutschland und den USA parlamentarische Untersuchungen zu den Waffenexporten gab, blieben in Paris offizielle Reaktionen auf die dubiosen Geschäfte mit dem Irak bislang aus.
Mit Blick auf die aktuelle Diskussion um die Rolle des Irak und seine Waffenarsenale ist diese sechzigminütige Dokumentation schon deshalb mehr als sehenswert, weil sie ohne moralische Wertungen Fakten und Hintergründe zur Aufrüstung des Dikators resümiert – und die Wertung elegant dem Publikum überlässt.