: Teure Bonbons für das gute Gewissen
Die Hersteller von Zuckerkram mit biologisch hergestellten Zutaten bevölkern bei der Süßwaren-Messe nur eine Nische
BERLIN taz ■ „Fairena noir orange“ könnte die Hoffnung für Mütter heißen, die vergeblich versuchen, ihren Kids einen bewussten Umgang mit Süßigkeiten beizubringen. Hinter dem edlen Namen verbirgt sich eine Bioschokolade mit Zartbitter-Orangen-Geschmack, die Handelsorganisation Transfair in diesem Jahr auf der internationalen Süßwarenmesse in Köln anbietet. Schokoriegel und Bonbons aus fairem Handel konnten im vergangenen Jahr eine Umsatzsteigerung von 5,9 Prozent auf 9 Millionen Euro verzeichnen.
Transfair-Geschäftsführer Dieter Overath will auf der Messe Flagge zeigen im Sinne von „Weniger ist mehr“. „Billige Produkte werden im Zehnerpack gekauft, das fördert bei Kindern den inflationären Konsum von Süßigkeiten“, sagt Overath. Im Gegensatz dazu vermittle der höhere Preis der Leckereien aus fairem Handel die Botschaft: „Süßigkeiten sind etwas Besonders.“
Seit 1995 ist Transfair Deutschland auf der Süßwarenmesse vertreten – die Anbieter von Naschwerk mit biologischen Zutaten bevölkern dort allerdings nur eine Nische. In diesem Jahr müssen sie sich gegen einen Boom von Lutschern und Fruchtgummis in Gespenster- und Totenkopfform durchsetzen. Halloween – in Österreich und Frankreich schon als vollwertige Saison etabliert – soll jetzt auch in Deutschland die Lücke zwischen Nikoläusen und Osterhasen füllen. Insgesamt 30 Kilo Süßwaren wurden 2002 in Deutschland pro Kopf verzehrt. Mit einer Steigerung von 9,5 Prozent konnte dabei der Bereich Zuckerwaren die höchsten Zuwächse verzeichnen.
Was die Süßwarenindustrie freut, ist Renate Künast ein Dorn im Auge. Jedes fünfte Kind in Deutschland ist nach Erkenntnissen der Verbraucherzentrale (VDZ) zu dick. Übergewicht und Fettsucht bei Kindern und Jugendlichen haben demnach in den letzten 15 Jahren geradezu epidemische Ausmaße angenommen. Im Visier sind nicht nur die üblichen Verdächtigen wie Pommes, Big Mac und Chips, sondern besonders die als gesund beworbenen zuckerhaltigen Dickmacher wie Cornflakes und Müsliriegel. Kinder, die schon im Babyalter mit gesüßten Tees auf den Geschmack gebracht werden, sind im Teenie-Alter dem Spott der Mitschüler ausgesetzt und damit besonders anfällig für psychische Erkrankungen. „Als Folge davon muss das Gesundheitsministerium Kosten in Milliardenhöhe tragen“, so Edda Müller, VDZ-Vorstand. INA KÖHLER