: Händler-Frust unter den Gleisen
Am Bremer Hauptbahnhof rumort es ganz gewaltig, den meisten Einzelhändlern steht das Wasser bis zum Hals. Aber die Bahn will mit den enormen Mieten nicht runtergehen. „Es wird Veränderungen geben“, ist der einzige Kommentar der DB
taz ■ In drei Tagen ist Schluss – nach 80 Jahren Bahnhofsbuchhandlung Reinhardt im Bremer Hauptbahnhof. Mindestens zwei seiner drei Geschäfte muss Inhaber Günther Reinhardt aufgeben. Das bedeutet das Aus für 35 der 41 Arbeitsplätze, vielleicht sogar für alle. Eine Angestellte, seit sechseinhalb Jahren dort beschäftigt, klingt resigniert: „Jeden Tag hören wir was anderes. Immer mehr Kollegen laufen hier mit Kopfschmerzen und Magengeschwüren rum.“
Dem Ladeninhaber die alleinige Verantwortung zuzuschieben, wäre zu einfach: Im Endeffekt baden seine Angestellten ein mindestens „schwierig“ zu nennendes Verhältnis zwischen der Deutschen Bahn AG als Vermieterin und den dort eingemieteten Einzelhändlern aus. Reinhardt hatte nach eigenen Angaben einen Käufer für seine Läden, „den die Bahn aber nicht wollte“. Der hätte auch Einrichtung und Personal übernommen, sagt der Buchhändler. Statt dessen ziehe die DB den Schweizer „Valora“-Konzern vor, sagt er. „Valora“ übernimmt nichts und niemanden aus den Läden.
Der Buchhändler ist nicht der Einzige, dem am Bremer Bahnhof finanziell die Puste ausgeht oder zumindest auszugehen droht: Da ist etwa die Frisörladen-Inhaberin Bärbel Busch. Sie räumt das Feld, bevor sie pleite geht. Die Miete ist seit dem Umbau in die Höhe geschnellt, an frühere Umsätze ist sie nie wieder herangekommen. Übermorgen ist ihr letzter Tag am Bahnhof, „nach über zehn Jahren“, sagt sie. Eigentlich hatte sie, wie wohl die meisten EinzelhändlerInnen, einen Zehnjahresvertrag. Jetzt hat die Bahn mit ihr einen Aufhebungsvertrag gemacht. „Das sei fair, sagen die“, sagt die Frisörin. Sie hatte verhandelt, im Bahnhof bleiben und weniger Miete zahlen zu können. Aber darauf ließ sich die Vermieterin nicht ein. Dann kämen eben neue Mieter, wenn sie nicht zahlen könne, soll es geheißen haben. Ab dem 4. Februar schneidet sie um die Ecke, in der Falkenstraße, Haare.
Dass die Bahn als Vermieterin sich nicht gerade vor Entgegenkommen überschlägt, musste auch Ralf Büsing feststellen. Er betreibt das Schmuck- und Uhrengeschäft „La Plata“ gegenüber dem Reisezentrum. Mit der Übernahme seines Geschäftsraums im Mai 2002 fing für ihn der Ärger an: Im Mietvertrag habe eine Ladengröße von zirka 20 Quadratmetern gestanden.Etwa ein halbes Jahr später sei dann ein Schreiben gekommen, die genaue Quadratmeterzahl betrage 24,75. Büsing solle rückwirkend seit der Übergabe der Räume eine entsprechend höhere Miete zahlen. „Das waren locker 23 Prozent Mieterhöhung, die die da verlangten“, ärgert sich der Schmuckhändler, „die Miete ist nicht aufzubringen“.
Auch andere Einzelhändler sind sauer. Der Grund: Neben den höheren Mieten haben sie auch noch Konkurrenz bekommen, obwohl sie die Zusage hatten, im Bahnhof jeweils die einzigen Anbieter zu sein. Mit der Ansiedlung des „Dolmetsch“-Geschäfts hat die Bahn gleich drei Ladeninhaber vergrätzt: Einen Küchengeschäft-Betreiber, den Spielwarenhändler und den Uhrenhändler. Denn „Dolmetsch“ hat Messer, Teddys und Uhren im Sortiment. „Wir dachten, wir hätten es mit einem seriösen Partner zu tun“, zeigt sich einer der Betroffenen verbittert. „Jetzt sind wir schlauer.“ Da nützt Ralf Büsing die Konkurrenzschutzklausel in seinem Mietvertrag auch nichts mehr. Warum er dagegen nicht rechtlich vorgehe? „Die Bahn hat die teureren Anwälte, das kann ich mir nicht leisten“, lautet der resignierte Kommentar. In ihrer Not, mit hohen Mieten und Konkurrenz zu kämpfen, bildeten die Einzelhändler eine Interessengemeinschaft und nahmen sich zusammen einen Anwalt. Die Bahn weigerte sich schlicht, mit einer Gruppe zu sprechen.
Aber die Liste der nicht gehaltenen Absprachen scheint noch länger: Ein Wegeleitsystem hätte es geben sollen, das Laufkundschaft über das Angebot im Bahnhof informiert, sagt der Mann aus dem Schmuckladen. „Jetzt hab ich hier dauernd Leute im Laden stehen, die fragen, wo die Toilette ist, weil die so schlecht ausgeschildert ist.“
Die Deutsche Bahn sagt zu den Vorwürfen nichts. „Das ist eine Sache zwischen der Bahn und den einzelnen Vertragspartnern“, sagt Bahnsprecher Hans-Jürgen Frohns. Ob es stimmt, dass zwei benachbarte Imbisse mit exakt der gleichen Grundfläche unterschiedliche Mieten zahlen, ist genauso offen, wie die Frage, was die DB überhaupt mit dem Bremer Hauptbahnhof plant. Gerüchte sehen den Schweizer „Valora“-Konzern den Bahnhof „übernehmen“. DB-Sprecher Frohns‘ einziger Kommentar: „Es wird im Bahnhof Veränderungen geben. Wir werden das zur rechten Zeit mitteilen.“ Ulrike Bendrat