DAS BUNDESVERFASSUNGSGERICHT ZEMENTIERT ANTIQUIERTE ROLLENBILDER : Vater sein bleibt schwer
Natürlich reden alle vom Kindeswohl, doch letztlich geht es um die Interessen von Vätern und Müttern. Gestern hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass nichteheliche Mütter auch weiterhin dem Vater ihres Kindes ohne Begründung ein gemeinsames Sorgerecht verweigern können.
Kern des Problems ist letztlich die mit dem Sorgerecht verbundene Befugnis, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen. Hat die Mutter allein das Sorgerecht, kann sie sich jederzeit entscheiden, mit dem Kind etwa nach Brasilien zu ziehen. Besteht jedoch ein gemeinsames Sorgerecht, muss sie sich mit dem Vater einigen. Notfalls entscheidet ein Gericht, was dem Wohl des Kindes dient.
Klar, dass manche Mütter ihre Autonomie verteidigen, auch wenn der Vater sich mehr oder weniger mustergültig an der Erziehung des Kindes beteiligt. Klar auch, dass Väter, die eine enge Beziehung zum Kind haben, eine rechtliche Handhabe wünschen, damit diese Beziehung nicht von einem Tag auf den anderen beendet werden kann.
Das Bundesverfassungsgericht hat nun angenommen, dass die Weigerung einer Frau, dem Vater ein gemeinsames Sorgerecht einzuräumen, in der Regel auf „schwer wiegenden Gründen“ beruht. Damit hat das Gericht faktisch unterstellt, dass der bloße Autonomiewunsch bereits ein solcher „schwer wiegender Grund“ ist.
Was auf den ersten Blick feministisch klingt, ist letztlich aber reaktionär. Es geht nämlich nicht um die Autonomie der Frau an sich, sondern um die Autonomie der vermeintlichen Einheit „Mutter und Kind“. Das Bundesverfassungsgericht verteidigt letztlich ein antiquiertes Rollenbild gegen Väter, die bereits aus ihrem Rollenverhalten ausgebrochen sind.
Allerdings kann der Gesetzgeber, der diese Regelung geschaffen hat, sie auch wieder beseitigen – und er sollte dies auch tun. Zumindest im Einzelfall muss ein Mann, der seine Vaterrolle angenommen hat, auch ein gemeinsames Sorgerecht erstreiten können. Ein solcher Rechtsstreit schadet der familiären Atmosphäre wohl kaum mehr, als wenn ein engagierter Vater sich von Mutter und Gesetzgeber völlig rechtlos gestellt sieht.
CHRISTIAN RATH