: „Geheimpapiere“ aus dem Internet
Vor der Sitzung des Wahllügen-Ausschusses klagt die Union über lückenhafte Akteneinsicht. Heute sollen Sachverständige die Zuverlässigkeit von Konjunkturprognosen bewerten. Eichel und Schröder sind erst nach den Landtagswahlen an der Reihe
aus Berlin ULRIKE HERRMANN
Die Union ist empört. Da will sie die angeblichen „Wahllügen“ der Bundesregierung untersuchen, aber bisher fehlt das belastende Material. Pünktlich zur heutigen zweiten Sitzung des „1. Untersuchungsausschusses“ sind zwar 30 Ordner aus verschiedenen Ministerien eingetroffen, doch seien das „nur Organigramme, Geschäftsverteilungspläne und Aktenpläne“, wie sich CDU-Obmann Peter Altmaier gestern beklagte. Kurz: „Informationen, die auch im Internet stehen.“
Altmaier vermisste „die richtigen Akten“. Vor allem wünscht er ein gewisses „Non-Paper“ zu sehen. So werden Akten genannt, die kein Aktenzeichen erhalten, damit man sie wieder vernichten kann. Ein solches Non-Paper wurde angeblich am 22. August von Beamten des Finanzministeriums verfasst. Darin sollen sie ihren Chef Hans Eichel (SPD) informiert haben, dass das Defizitkriterium des Maastricht-Vertrages im Jahr 2002 nicht erreicht würde. Ein entsprechender Spiegel-Bericht wurde nie dementiert.
Aber auch nicht bestätigt. Daher will sich der Grünen-Obmann im Untersuchungsausschuss, Jerzy Montag, mit diesen „angeblichen Zitaten über angebliche Non-Paper“ nicht weiter aufhalten. Die Union solle „endlich genau sagen, welche Akten sie will“. SPD-Obmann Dieter Wiefelspütz versprach jede Unterstützung. „Es wird nichts geblockt“, sagte er der taz. Die Organigramme und Geschäftsverteilungspläne seien nur die „erste Tranche“. Der Ausschuss werde demnächst „mit Papier zugeschmissen“.
Doch dass es die gewünschten Akten sein könnten, will Altmaier nicht glauben. „Die Bundesregierung betrachtet sich offensichtlich als Geheimorganisation.“ Selbst die nichtssagenden Organigramme seien „als Verschlusssache eingestuft“. Altmaier bissig: „Demnächst wird auch noch das Toilettenpapier klassifiziert.“ Montag konterte: „Will Herr Altmaier die Akten auf dem Markt verkaufen, oder was ist sein Problem?“ Wiefelspütz gab sich konzilianter, man werde „über die Einstufung noch einmal reden“.
Aber auch ohne „richtige Akten“ kann der Untersuchungsausschuss tagen. Denn heute werden Wirtschaftsexperten zu der Frage gehört, wie verlässlich Konjunkturprognosen sind. Eichel hingegen wird erst erscheinen, wenn die Landtagswahlen vorbei sind – „spätestens am 13. März“. Ihm folgt dann Kanzler Schröder.