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Archiv-Artikel

US-Präsident reizt Bundesregierung

Bushs Rede an die Nation fordert Rot-Grün heraus: Der Präsident will Krieg führen, die Diplomatie der UN ist ihm lästig, fürchten die Regierungsparteien. Rau ermahnt seinen Präsidentenkollegen in den USA, die Weltgemeinschaft zu achten

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

George Bush hat gesprochen – und die rot-grüne Regierung übt sich in einer alten diplomatischen Kunst: Sie redet hoch, was ihr ins Konzept passt, und ignoriert, was ihrer Sicht der Dinge zuwiderläuft. Um einen Alleingang der USA gegen den Irak zu vermeiden, setzt die Bundesregierung bekanntlich auf die UNO und deren Waffeninspektoren. Der US-Präsident sagte dagegen: „Der Kurs dieser Nation hängt nicht von den Entscheidungen anderer ab.“

Sieht der Bundeskanzler darin eine Drohung der Vereinigten Staaten mit einem Alleingang? Gerhard Schröder wich der Frage aus: Dies sei nicht seine Interpretation, sagte er nach einer Pressekonferenz mit dem mexikanischen Staatspräsidenten in Berlin. An der Rede des US-Präsidenten lobte Schröder vielmehr, „dass er als den Ort der Entscheidung nach wie vor den Sicherheitsrat ansieht.“ Vizekanzler Joschka Fischer legte in seine Formulierung etwas weniger Gewissheit und etwas mehr Mahnung: „Es ist wichtig, dass wir mit dem Entscheidungsprozess im UN-Sicherheitsrat bleiben.“ Bundespräsident Johannes Rau wurde deutlicher. Er sei überzeugt, „dass der Kampf gegen Diktatur und Terror nicht Sache eines Staates ist, sondern der Weltgemeinschaft.“ Es war eine sanfte Rüge, von Präsident zu Präsident.

Lobend erwähnten gestern Politiker aller Parteien die Ankündigung der USA, am kommenden Mittwoch im Sicherheitsrat Geheimdienstinformationen zu angeblichen Waffenprogrammen des Irak vorzulegen. Außenminister Fischer hat angekündigt, die Sitzung persönlich zu leiten. Deutschland übernimmt zum 1. Februar für einen Monat den Vorsitz im Sicherheitsrat.

In Berlin herrschen im Übrigen offene Zweifel an der Qualität der Informationen, welche die USA vorlegen wollen. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Wilhelm Schmidt sagte, er sei sicher, „dass Bush, wenn er was in der Hand hätte“, dies schon auf den Tisch gelegt hätte. Schmidts grüner Amtskollege Volker Beck nannte die USA „fahrlässig“, falls sie Informationen bisher zurückgehalten haben sollten.

Auf versteckte Kritik stieß in der Bundesregierung Bushs Forderung nach einem Regimewechsel in Bagdad. Die Resolution 1441 verlange eine Entwaffnung des Irak, sagte Regierungssprecher Hans Langguth, „von einem Regimewechsel ist dort nicht die Rede.“ Deutlichere Worte fand gestern SPD-Fraktionsvize Gernot Erler. Nach Bushs Rede sei klar, „dass der amerikanische Präsident eigentlich keine Massenvernichtungsprogramme im Irak beenden, sondern Krieg führen will und deshalb nach Legitimation für sein Vorgehen sucht“. Grünen-Chefin Angelika Beer sah in der Rede den Beleg, dass den USA „im Grunde genommen diese Diplomatie der Vereinten Nationen eher lästig“ sei.