: „Wir hatten nicht wirklich Alternativen“
Interview mit der bisherigen Meretz-Abgeordneten Jael Dajan über die Gründe für Scharons Sieg, die Strategie der Linken und die Gründung einer sozialdemokratischen Partei
taz: Frau Dajan, der Wahlausgang übertrifft die düstersten Erwartungen. Was ist schief gelaufen?
Jael Dajan: Es ist klar, dass die letzten zwei Jahre nicht hilfreich waren, vor allem mit Blick auf die Aussichtslosigkeit des Kampfes gegen den Terror. Die Angst hat den Ausschlag gegeben. Scharon ist es gelungen, und das ohne jede Grundlage, beim Wähler das Gefühl zu erzeugen, dass ihm in dieser Hinsicht mehr zu vertrauen sei als anderen.
Wo hat die Linke und vor allem Meretz versagt?
Was sollten wir tun? Sagen, dass uns der Frieden jetzt nicht mehr interessiert und die erneute Besatzung progagieren? Wir hatten nicht wirklich Alternativen.
War es ein Fehler, die Kampagne der Meretz auf die Wähler der Arbeitspartei zu konzentrieren?
Das war ganz natürlich, schließlich standen wir im Wettbewerb zueinander, vor allem, nachdem die Arbeitspartei Teil der großen Koalition war. Wäre sie in der Opposition gewesen, hätte sich ein komplett anderes Bild ergeben. Die Arbeitspartei hat versucht, eine Opposition innerhalb der Regierung zu bilden, so etwas ist nicht möglich. Der schwere Schlag, den die Linke einstecken musste, ist darauf zurückzuführen.
Halten Sie den Rücktritt von Meretz-Chef Jossi Sarid für begründet?
Ich habe sehr versucht, ihn zu einem Überdenken dieser Entscheidung zu motivieren, aber es sieht nicht so aus, dass er das tut. Er wird aber Abgeordneter bleiben.
Wird sich Meretz ohne Sarid, der immer als sehr sicherheitsorientiert galt und beispielsweise einen einseitigen Abzug aus dem Libanon ablehnte, stärker nach links bewegen?
Es gibt nichts links von Meretz. Selbst die Arbeitspartei ist links – die Nuancen sind gering. Ob Sicherheitspolitiker oder nicht, das ist nebensächlich.
Sie traten schon lange vor den parteiinternen Wahlen der Arbeitspartei für die Gründung eines sozialdemokratischen Blocks ein, bestehend aus Politikern der linken Fraktionen. Wie stehen die Chancen auf eine gemeinsame Liste von Arbeitspartei und Meretz?
Es steht außer Frage, dass es jetzt darum geht, die Kräfte zu vereinen. Wir sind einen Tag nach den Wahlen. Diese Dinge werden sich in naher Zukunft klären.
Sie fangen doch nicht heute erst an, darüber nachzudenken.
Das ist richtig. Wir sind seit einigen Monaten dabei, über die Gründung einer neuen Liste, die alle Mitte-links-Fraktionen einschließen würde, nachzudenken. Dennoch sind wir noch weit weg von einer konkreten Organisation. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in den kommenden Tagen Thema sein wird.
Glauben Sie, dass die Arbeitspartei komplett zu mobilisieren ist, oder steht hier möglicherweise eine Spaltung bevor?
Ich weiß nicht, was das jetzt heißt, die „ganze Arbeitspartei“. Die Arbeitspartei weiß das selbst nicht. Es ist nicht klar, ob sie doch einer großen Koalition zustimmen wird oder nicht.
Ist die Schinui potenzieller Partner?
Es ist zu früh, darüber nachzudenken. Wir wenden uns natürlich an alle. Aber Meretz ist schwächer, als wir hofften. Wir hatten allerdings ohnehin nicht vor, den noch zu gründenden Block anzuführen, wir wollen Teil von ihm sein.
Was ist mit den arabischen Parteien?
Die sozialdemokratische Partei wird eine zionistische sein, nicht zuletzt um eine Alternative zum Likud zu bieten. Damit ist sie für die arabischen Fraktionen nicht akzeptabel.
Wie sehen Sie die nahe Zukunft unter einer rechtsnationalen Regierung?
Ich bin sicher, dass Scharon alles unternehmen wird, um nicht mit den rechten und religiösen Parteien allein zu bleiben. Eine rechtsnationale Regierung wäre das „worst case scenario“.
Könnte ein Krieg gegen den Irak die Entwicklungen in Israel beeinflussen?
Ohne Zweifel, wenngleich nur sehr temporär. Vielleicht für zwei Wochen oder einen Monat. Eine Notstandsregierung ist in der Regel von vornherein zeitlich beschränkt und dient dem einen Zweck, Entscheidungen zu treffen, die ausschließlich die Sicherheit der Staatsbürger betreffen. Vorläufig wissen wir aber noch nicht einmal, ob es überhaupt einen Krieg geben wird.
Sie haben den Einzug ins Parlament nicht geschafft. Was tun Sie jetzt?
Ich werde mich vor allem mit der Gründung der sozialdemokratischen Partei beschäftigen, Bücher schreiben und mich all den Problemen widmen, die für mich auch als Abgeordnete wichtig waren. INTERVIEW: SUSANNE KNAUL