Einigkeit im Chaos
Im Stadtamt liegen tausende unbearbeiteter Anträge. Das Parlament protestierte gestern einhellig. Der Senator gibt sich zerknirscht und versprach 30 neue Stellen, um die Rückstände aufzuarbeiten
von Jan Zier
So viel Einigkeit war selten im Parlament, selbst der verantwortliche Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) mochte da am Ende „nur zustimmen“. Und das, obwohl die Kritik an den chaotischen Zuständen im Stadtamt gestern ebenso einhellig wie vernichtend ausfiel. Doch selbst der Senat musste die Misere jüngst unumwunden eingestehen, in einer umfassenden Antwort auf eine große Anfrage aller fünf Fraktionen. Von „erheblichen Bearbeitungsrückständen“ ist in dem Bericht die Rede, und von der „häufig unzureichenden“ Qualität der Arbeit. Hinzu kommen „lange Wartezeiten“, eine nach wie vor „schlechte telefonische Erreichbarkeit“. In einer ersten Reaktion wurden zehn durch Fluktuation frei gewordene Stellen ausgeschrieben, die bislang aber noch unbesetzt sind. Bis Anfang kommenden Jahres sollen jetzt noch einmal 20 dazukommen, je zur Hälfte vom Innen- und Finanzressort finanziert. Das wurde gestern verabredet – Mäurer mochte nicht mit leeren Händen in die Bürgerschaft kommen.
Ob die Sofortmaßnahme ausreicht, ist fraglich. Seit 2006 ist die Zahl der Planstellen im Stadtamt schrittweise von 336 auf 315 gesunken. Zugleich hatte Stadtamtsleiter Hans-Jörg Wilkens bereits vor gut einem Jahr 60, die Linke sogar 100 neue MitarbeiterInnen gefordert – vergebens.
Inzwischen liegen allein in der Ausländerbehörde 1.800 unbearbeitete Anträge auf Aufentshaltserlaubnis oder Duldung, mehr als 21.000 Briefe sind allenfalls vorsortiert, aber unbearbeitet, über 1.400 Widersprüche nicht entschieden. „Das genügt seit langem nicht mehr den Ansprüchen“, gibt Mäurer zu.
Unbearbeitet sind ferner 7.400 Fälle von WaffenbesitzerInnen, die etwa auf ihre Zuverlässigkeit geprüft werden müssten. Ebenso harren 60 Vorfälle mit gefährlichen Hunden der Aufklärung. 400 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten stehen aus, und fast 2.700 Anmeldungen aus dem „Vertrauensgewerbe“ müssten ebenfalls noch überprüft werden, also etwa Detekteien oder Schlüsseldienste, ferner mehr als 400 Fälle entschieden, in denen das Gewerbe womöglich ganz untersagt wird. Überwachungen, sagt Mäurer, seien „lediglich schwerpunktmäßig“ möglich, etwa auf der Discomeile, Kontrollen zum Nichtraucherschutz indes „kaum möglich“. Immerhin: Bei der Beurkundung je Standesbeamten schneidet Bremen im Städtevergleich noch sehr gut ab.
„Das hat mit ordnungsgemäßer Verwaltung gar nichts zu tun“, sagte der SPD-Politiker Björn Tschöpe. Die Linke sprach von „unrechtmäßigen Zuständen“. Die kommen Bremen teuer zu stehen: Untätigkeitsklagen kosten die Stadt seit 2006 jährlich mindestens 60.000 Euro, allein die Ausländerbehörde zog seit in den vergangenen fünf Jahren 460 Prozesse auf sich, die im Verwaltungsgericht einen Großteil der Kapazitäten binden. Die Probleme im Stadtamt, sagt Mäurer, sind „seit langem“ schon nicht gelöst. Der Name seines Amtsvorgängers Willi Lemke fiel dabei nicht. Auch von Thomas Röwekamp (CDU) war keine Rede. Der Ex-Innensensator blieb der Debatte ohnehin lieber fern.