: Die Mülldetektive aus dem Parlament
Das Abgeordnetenhaus will einen Sonderausschuss für die BSR einsetzen. Deren Finanzgebaren bleibt weiter umstritten. Eine vom Senat angemahnte Zinsausschüttung soll die Müllgebühren 2003/2004 um zehn Prozent senken
Kunden der Stadtreinigung (BSR) sollen 2003 und 2004 für ihren Müll weniger zahlen müssen. „Wir rechnen damit, die Gebühren um 10 Prozent senken zu können“, sagte BSR-Sprecherin Sabine Thümler der taz. Hintergrund ist ein jetzt offenbar beigelegter Streit über die Zinsen jenes Geldes, das die BSR für eine Deponiesanierung als so genannte Rückstellung angespart hat. Der Senat hatte im September beschlossen, dass die BSR die Zinsen auf ihre Gebühren anrechnen muss. Die BSR und die Wirtschaftsverwaltung widersprachen Meldungen, wonach das landeseigene Unternehmen diesem Beschluss nicht nachkomme. „Ein Skandal ist nicht zu erkennen“, sagte ihr Sprecher Christoph Lang.
Im Herbst war die BSR wegen eines Abrechnungsfehlers bei den Straßenreinigungsgebühren in die Bredouille geraten. Mit Wissen seines inzwischen gefeuerten Finanzvorstands hatte das Unternehmen über vier Jahre rund 60 Millionen Euro zu viel kassiert.
FDP-Fraktionschef Martin Lindner sieht im Umgang mit den Zinsen neue Ungereimtheiten bei der BSR und wiederholte seine Forderung nach einem Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses. Damit steht er jedoch allein: Die anderen Fraktionen sprachen sich gestern einhellig für einen Sonderausschuss aus, wie er bislang in der Geschäftsordnung des Parlaments nicht vorgesehen ist. „Wir wollen doch zukunftsgerichtet diskutieren“, sagte die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Lisa Paus. Das aber sei mit einem Untersuchungsausschuss, der der Idee nach Zurückliegendes aufklären soll, nicht möglich.
Die BSR will über die Anrechnung der Zinsen hinaus prüfen, ob sie tatsächlich, wie 1996 in einem Gutachten veranschlagt, knapp eine halbe Milliarde Euro an Rückstellungen braucht. Ergibt sich bei der Überprüfung ein geringerer Betrag, soll die Differenz in der Abrechnungsperiode 2005/2006 ebenfalls über die Gebühren an die Kunden ausgeschüttet werden. Sprecherin Thümler erwartet dann jedoch nicht einen weiteren Gebührenrückgang, sondern wegen kostspieligen Anlagenbaus einen verminderten Anstieg.
Dieses Verfahren entspricht laut Verwaltungssprecher Lang auch einem jetzt vorliegenden Gutachten, das Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) als BSR-Aufsichtsratschef im November nach der Gebührenpanne in Auftrag gegeben hatte. Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer kündigte trotz der Skandal-Dementis eine Klage an.
STEFAN ALBERTI