Homoerotika

Die Entwicklung homosexueller Erotika verlief ebenso brüchig wie die ihrer heterosexuellen Entsprechungen. Nach versteckten und bescheidenen Anfängen kam es zu einer Beschleunigung der Verbreitung nach dem Zweiten Weltkrieg. Neben unerlaubten stag films und nudies war vor allem eine Homoerotik beliebt, die in sportlicher oder kultureller Camouflage in Grenzbereiche der Gesetzgebung strebte.

„Physique“-Magazine und -Filme „feierten“ den männlichen Körper als Ideal der Persönlichkeitsentwicklung. Aber eine Schar von Richtern sah in diesen Abbildungen eher den aufreizenden Zweck: Leibwäsche, die im Laufe der Fünfzigerjahre immer knapper wurde, Genitalien, die sich abzeichneten, und Schamhaare, die die Gummizüge sprengten.

Neben dem Outlaw-Status hatten Homoerotika also immer eine legalistische Seite. Meilensteine bildeten oft Gerichtsurteile, die sich an der Frage der Vereinbarkeit von Verboten mit Grundrechten rieben. Im berühmten Verfahren Manual Enterprises gegen Day schränkte das Oberste Gericht der USA 1965 den Begriff Obszönität entscheidend ein. Fortan galt als obszön, was die adressierte Gruppe und nicht mehr eine diffuse Allgemeinheit als obszön empfand.

Der Richterspruch brachte die Dämme zum Einsturz. Die Darstellungsgrenzen kontinuierlich ausgeweitet. Schließlich war das ganze Geschäftsfeld nachhaltig umgebaut. Daneben erzeugte auch die amerikanische Filmavantgarde mit soft- und spaßpornografischen Filmen wie „Flesh“ (1968) und „Lonesome Cowboys“ (1968) eine messbare Nachfrage beim Publikum.

Das Feld war also auf verschiedenen Ebenen bereitet, als in den frühen Siebzigerjahren innerhalb kurzer Zeit und räumlich oft unabhängig voneinander die ersten Schwulenpornos in Spielfilmlänge entstanden. „Boys in the Sand“ (1971) und „Bijou“ (1972) von Wakefield Poole, „Pink Narcissus“ (1971) von James Bidgood, „Sex Garage“ (1972) von Fred Halsted und „The Back Row“ (1972) von Jerry Douglas. Neben ihrem nostalgischen Schmelz sind sie bis heute als Archiv schwuler Stile und Topografien von dokumentarischem Wert. In ihren sexuellen Realismen oder einer flirrenden Künstlichkeit zeigt sich aber auch eine Situation, in der noch unentschieden war, wo und wie Pornografie in die populäre Kultur eindringen würde. Dass sie es tun würde, schien allerdings klar zu sein.

Jerry Douglas wurde 1935 in Des Moines, Iowa, geboren. Nach dem Studium der Dramatik arbeitete er für verschiedene New Yorker Theater. Sein erstes Stück hieß „Rondeley“ und war eine Musical-Adaption frei nach Arthur Schnitzlers „Reigen“. In den späten Sechzigern wurde Nacktheit nicht nur in Warhol-Filmen, sondern auch auf der Bühne zu einer beliebten Stimulanz. Douglas sammelte auf diesem Gebiet mit „Circle in the Water“ und „Score“ Erfahrung und schrieb mit „Tubstrip“ sein eigenes Stück Freizügigkeit für das Theater. Sein Schritt in die Pornografie war also nicht gerade ein Umweg. Die Ironie der Geschichte: Das Mercer Arts Center, das Garrick, das Martinique und das Hudson West Theater, in denen er einst arbeitete, existieren nicht mehr, „The Back Row“ lebt hingegen auf Multitrack-DVD weiter.

Die Ausstellung „21 x 5 – Porno machen“, zu der Jerry Douglas nach Deutschland reiste, ist noch bis zum 17. Februar im Schwulen Museum, Mehringdamm 61, in Berlin-Kreuzberg zu sehen. MANFRED HERMES