: Linke lernen von Christo
Linke Gruppen demonstrieren heute im Osten gegen Rechts. Sie wollen „Deutschland einpacken“, wie Christo und Jeanne Claude den Reichstag verhüllten. Und einem Alternativ-Klub beistehen
von ANDREAS SIEGMUND-SCHULTZE
Linke Gruppen wollen heute im Nordosten Berlins „für eine starke linke Jugendbewegung“ demonstrieren. Unter dem Motto „Wenn wir kommen, kann Deutschland einpacken!“ wird sich der Demonstrationszug ab 15 Uhr am S-Bahnhof Greifswalder Straße in Bewegung setzen – die Aktion zählt zu den Höhepunkten der zur zeit stattfindenden Antifaschistischen Aktionswochen.
Das Plakat zur Demo zeigt den 1995 von Christo und Jeanne-Claude verpackten Reichstag, auf dem jedoch zwei Fahnen der Antifaschistischen Aktion wehen. Die Veranstalter, das Antifaschistische Aktionsbündnis III [A3], wollen in den Ortsteilen Prenzlauer Berg und Weißensee „neofaschistische Strukturen sichtbar“ machen, „um diese dann wirksam bekämpfen zu können“, so A3-Sprecherin Bettina Simon.
Zudem soll auf das Schicksal von Krystian W. hingewiesen werden: Der junge Pole war am 26. Juli 1999 von rechten Bauarbeitern ins Gleisbett des S-Bahnhofes Greifswalder Straße geworfen worden. Dabei kam er unter die Räder eines einfahrenden Zuges und verlor dabei einen Arm und ein Bein. Zuvor hatte die Arbeiter den jugendlichen Punk mit als „Polackenpack“ und „Scheiß-Zecke“ beleidigt.
Krystian W. war später nach Polen abgeschoben worden, noch bevor er eine Aussage gegen die Täter machen konnte. Simon will anhand dieses Falles darstellen, dass „sich linksradikale Politik nicht nur gegen Stiefelnazis richten darf, sondern auch Verwertungslogik und staatlichen Rassismus in die Auseinandersetzung mit einbeziehen muss“.
In Weißensee soll die Demonstration „an Orten des Rechtsextremismus“ vorbeiführen. Dazu zählt beispielsweise der Jugendclub „HOF 23“ in der Langhansstraße, der auf rechte Jugendliche nach Angaben des Bündnisses in letzter Zeit eine „ungeheuere Sogkraft“ ausübe. Mehrfach seien hier Migranten schon rausgeflogen oder verprügelt worden, heißt es.
Auch dem Jugendclub „Bunte Kuh“, dem einzig alternativ geprägten Jugendclub in der Gegend, wird sich die Demo nähern. Weißenseer Neofaschisten ist die Location ein Dorn im Auge, mehrfach kam es hier zu Übergriffen. Erst im November hatten vermutlich Rechtsextremisten hier sämtliche Scheiben eingeworfen.
Auch am Jüdischen Friedhof wird Halt gemacht. In den letzten Jahren kam es hier immer wieder zu Schändungen. Grabsteine wurden umgeworfen oder gänzlich zerstört, antisemitische Sprühereien tauchten auf. Ein Steinmetz aus dem Kiez, der 1999 aus Solidarität zahlreiche Grabsteine rekonstruierte, wurde später selbst von Neonazis behelligt. Neben mehreren Morddrohungen wurde seine Firma auch zum Ziel eines Anschlages, Schaden damals: 80.000 Mark.
Bereits um 12 Uhr findet ebenfalls in ihrem Rahmen der Aktionstage eine Kundgebung in Spandau statt. Die Linken wollen hier gegen antisemitischen Äußerungen protestieren, die im Zusammenhang mit der Rückbenennung der Kinkelstraße in Jüdenstraße am 1. November gefallen seien.
Die inzwischen fünften Antifaschistischen Aktionswochen mit dem Motto „Zusammen handeln. Gegen Nationalismus, Militarisierung und Antisemitismus“ laufen im Nordosten noch bis zum 8. Februar. Erstmals wurden sie im Jahr 1999 veranstaltet, als die „Republikaner“ ihre Bundeszentrale in einer Villa in Pankow eröffneten, deren ehemalige Besitzer, die jüdische Familie Garbáty, von den Nazis zwangsenteignet wurde.