: Gabriels kleiner Weltuntergang
Der abgewählte niedersächsische SPD-Mann kann Gerhard Schröder für die verheerende Pleite danken, trägt aber auch seinen Teil der Schuld
aus Hannover JÜRGEN VOGES
Nach 13 Jahren an der Regierung verlieren die Sozialdemokraten in Niedersachsen mit einem beispiellosen Absturz um mehr als 14 Prozentpunkte die Macht. Ministerpräsident Sigmar Gabriel erhielt nach ersten Hochrechnungen mit nur rund 33 Prozent für die SPD die Quittung für die Politik der rot-grünen Bundesregierung. CDU-Herausforderer Christian Wulff kam auf rund 48 Prozent und kann im dritten Anlauf Ministerpräsident in Hannover werden. Die FDP errang 8 Prozent und ist nach neun Jahren erstmals wieder im Landtag. Die Grünen konnten mit 7,5 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis einfahren.
„Lasst uns nicht den Eindruck erwecken, das ist der Weltuntergang“, sagte der Nochministerpräsident Sigmar Gabriel, als die ersten Hochrechnungen die schlimme Niederlage der niedersächsischen SPD bestätigt hatten. Man habe zwar die Wahl mit einem für die SPD schwierigen Ergebnis verloren. Doch „der Ball ist rund, und in fünf Jahren gibt es ein neues Spiel“, versuchte der Politiker noch die Anhänger und Parteimitarbeiter im großen Saal der SPD-Landtagsfraktion aufzumuntern.
Grünen freuen sich
Zur gleichen Zeit versuchte im Raum der Grünen Bundesumweltminister Jürgen Trittin dem Ergebnis sogar noch positive Seiten abzugewinnen. Was die grüne Partei angehe, sei es ein erfreulicher Tag und ein gutes Ergebnis, sagte Trittin mit Blick auf die erwarteten leichten Zugewinne seiner Partei. Die rot-grüne Bundesregierung komme jetzt jedoch in eine schwierige Situation.
Richtig gejubelt wurde im hannoverschen Leineschloss am Sonntagabend natürlich bei der CDU. Im großen Fraktionssaal übten Fraktionsmitarbeiter und Anhänger der Christedemokraten schon vor 18 Uhr die Jubelchöre für die Fernsehkameras ein, schließlich hatten sich die Wahlprognosen von ARD und ZDF schon im Landtagsgebäude herumgesprochen. Die Freude war allerdings echt und groß, als beide Sender nach Schließung der Wahllokale dann einen Vorsprung der CDU vor der SPD zwischen 12 und 15 Prozent vorhersagten. Die Christdemokraten sprangen rhythmisch unter Hey-hey-hey-Rufen in die Höhe. Nur der CDU-Landesvorsitzende Christian Wulff bewahrte dann gut 20 Minuten später auch noch die gewohnte Ruhe, als er seinen Sieg verkündete und eine ordentliche Siegesfeier versprach.
In gut einem Monat wird Wulff nun anstelle des nur drei Monate jüngeren Sigmar Gabriel zum nidersächsischen Ministerpräsidenten gewählt und wird selbst zum jüngsten Regierungschef der Bundesrepublik.
Weil sich die Niederlage der SPD seit Wochen in den Umfragen abzeichnete, hatte Gabriel genug Zeit, sich auf seine bittere Stunde am Wahlabend vorzubereiten. Im kleinen Kreis hatte er vor vier Tagen noch deutlicher Worte für die Ursache der SPD-Verluste und auch für den eigenen Karriereknick gefunden, der den schwergewichtigen SPD-Politker jetzt wohl wieder auf die Position des Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion zurückwirft. „Soll ich am Wahlabend einfach der Bundesregierung für ihre Unterstützung danken?“, sagte der 43-Jährige mit einem Anflug von Galgenhumor: „Oder soll ich einfach sagen: Danke, Gerd!?“
Natürlich hat die CDU auch in Niedersachsen ein Denkzettelwahl gegen Rot-Grün in Berlin gewonnen. Dennoch trägt auch Gabriel selbst einen guten Teil Verantwortung für die verheerende Wahlniederlage, bei der die Sozialdemokraten rund ein Viertel ihrer Wähler eingebüßt haben.
Kronprinz statt Landespolitik
In der Rückschau betrachtet, war es schon ein dummer Fehler des Nochministerpräsidenten, die Niedersachsen gemeinsam mit den Hessen an die Urnen zu rufen, deren Wahltermin schon früher feststand. Gerade die Doppelwahl in zwei Bundesländern machte es den Christdemokraten leicht, den Urnengang zum bundespolitischen Test, zur Revanche für die verlorene Bundestagswahl zu stilisieren. Und im Wahlkampf versuchte sich Sigmar Gabriel dann auch noch als Schröders Kronprinz, als SPD-Hoffnungsträger für den Bund darzustellen und machte immer mit Alternativvorschlägen zur Berliner Politik von sich reden, anstatt einen traditionellen landespolitischen Wahlkampf zu versuchen.