jenni zylka über Sex & Lügen
: Vorsicht vor Clownkontakten

Gibt es ideologisch tadellose Berufe, und wenn ja, kann man trotzdem auch einen Makler lieben? Wir meinen: Nein

Clowns sind die Pest. Nichts ist schlimmer als Menschen, die in großen Schuhen und mit Plastikglatzen auf dem Kopf auf dicke Hintern fallen und dabei Wasser verspritzen oder hupen oder „Schöööööön!“ rufen. Und dann hinter der Bühne ganz traurig tun, weil das Tradition ist und unter der dicken, roten Fettstiftfratze ein kleines, bekümmertes Mündchen stecken soll. In Wirklichkeit sind Clowns hinter der Bühne schlecht gelaunte, kettenrauchende Alkoholiker, die Mädchen angrabbeln, glaube ich.

Aber normalerweise muss mich das nicht kümmern. Es fällt mir leicht, auf Zirkusbesuche zu verzichten, an Theaterschminkeregalen haste ich stets schnell vorbei, damit ich bloß nicht aus Versehen einen Zivilclown oder eine Living Doll oder einen Im-Park-Jonglierer kennen lerne. Oder eine Clownin. Bis heute habe ich mich erfolgreich vor Clownkontakten geschützt. Heute aber hat mich eine Freundin besucht und mich vor ein Problem gestellt.

Meine Freundin hasst Clowns ebenfalls, sie hatte als Kind ein prägendes Erlebnis mit einem Zirkuspony, von dem sie dachte, es könne rechnen, bis sie sah, dass der blöde dumme August das Pony jedes Mal mit seiner Plastikrose pikte, damit es mit dem Vorderhuf die richtigen Ergebnisse klopfte. Doch jetzt sitzt diese Freundin auf dem Sofa und zieht die Stirn in Falten, sodass sie in Hirnhöhe aussieht wie ein Pekinese. Ich habe einen reizenden Mann kennen gelernt, sagt sie. Ist doch prima, sage ich, die sind rar. Wozu das Pekinesengesicht? Der Mann ist von Beruf Clown, sagt sie. Oh Gott, sage ich. Ist ja schrecklich!

Sie erzählt, dass der Unglückliche eigentlich Kommunikationswirtschaft studiert habe, eben das, was alle machen, hat etwas mit Medien zu tun, nicht mit Kneipe, wie ich ursprünglich dachte. Aber weil es gerade keine Jobs in dem Bereich gibt, sei er vor anderthalb Jahren da reingeschlittert: Er fährt im Kostüm (Glatze, rote Nase, Schuhe, die ganze Palette) zu Kindergeburtstagen, manchmal auch Autohauseinweihungen, und macht den Trottel.

Ich dachte immer, diese Clownjobs gäbe es nur in neuen deutschen Filmen, in denen alle naselang Kindergeburtstags- und Fußgängerzonen-Clowns auftreten, weil die Drehbuchautoren glauben, das gäbe bildmäßig etwas her. Nee, seufzt sie. Na immerhin arbeitet er nicht aus Leidenschaft im Zirkus, versuche ich meine Freundin aufzumuntern. Ja, sagt sie, das sage ich mir auch. Trotzdem finde ich das so unattraktiv. Und ich überlege mir die ganze Zeit, ob ich nicht eine ganz oberflächliche Nuss bin, weil mir nicht egal ist, was der Mann, den ich mag, beruflich macht!

Das darf einem auch nicht egal sein, sage ich, du würdest doch wohl nicht mit einem Makler oder einem SPD-Pressesprecher oder einem Osteuropa-Mädchenhändler gehen wollen, oder? Ich weiß nicht, sagt meine Freundin, ist das wirklich wichtig? Wir denken ein bisschen darüber nach, ob das Gewerbe einen Menschen prägt und ob es heutzutage noch ehrenwerte Berufe gibt, Berufe, hinter denen eine spitzenmäßige Ideologie steht. Handwerker fallen uns ein (also solche, die eine umfassende Ausbildung gemacht haben, nicht die, die am Tag nach dem Vatertag vier Stunden zu spät und mit Fahne zum Renovieren kommen und erst mal zehn Schallplatten zerbrechen). Im Endeffekt nützt es aber auch nichts, wenn der Schuster (ein sehr ehrenwerter Beruf, vor dem ich großen Respekt habe) ein hässlicher Muffel ist, sagt meine Freundin.

Und wie hält man es mit Arbeitslosen, überlegt sie, soll man einen arbeitslosen Privatfernsehnprogrammplaner genauso aus ideologischen Gründen abblitzen lassen wie einen, der in Lohn und Brot steht? Und wenn er umschult, werfe ich ein, auf Patisseur? Da kann man aber schon mal tolerant sein, schlägt meine Freundin vor, dann hat er seinen Fehler ja eingesehen.

Trotzdem: Was mach ich mit dem Clown?, fragt meine Freundin nach einer nachdenklichen Pause. Kannst du dir nicht einreden, er sei Stand-Up-Comedian, versuche ich eine neue Strategie, okay, das ist auch ziemlich schrecklich, aber … Sie schüttelt den Kopf. Er kann doch nicht dir zuliebe die Arbeitslosenkasse belasten, rede ich ihr ins Gewissen. Am Ende des Nachmittags haben wir das Problem nicht gelöst. Aber eine Woche später treffe ich meine Freundin wieder. Was macht der Clown?, frage ich. Der hat mir Aloha gesagt, sagt meine Freundin. Weil ich Jura studiere. Er könne sich nicht vorstellen, mit einer Richterin oder Rechtsanwältin zusammen zu sein. Mit überhaupt keinem Mitglied der Judikative. Er habe seine Prinzipien. Hier ist übrigens seine Karte.

Sie zeigt mir eine Visitenkarte mit einem grinsenden Clownsgesicht, der Hintergrund ist mit lustigen Konfettipunkten bedruckt. Fort mit Schaden, sage ich. Und spritze schnell etwas falsche Tinte aus einer Ansteckrose auf das Seidenhemd meiner Freundin.

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