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Archiv-Artikel

Das Wir im Norden

Hamburg und Schleswig-Holstein vereinbaren enge Zusammenarbeit, wollen aber keinen Nordstaat. Landesbanken und mehrere Behörden fusionieren dennoch, 30 weitere Projekte werden geprüft. Einladung zum Mitmachen an Niedersachsen

von SVEN-MICHAEL VEIT

Bedeutungsschwangeres hallte gestern durchs Hamburger Rathaus. Von „weitreichenden Entscheidungen“ war die Rede, der Begriff vom „Modellfall“ wurde bemüht, und selbstredend durfte der Hinweis auf eine „neue Ära“ nicht fehlen. Hamburg und Schleswig-Holstein, so verkündeten deren Regierungschefs Ole von Beust (CDU) und Heide Simonis (SPD) nach einer gemeinsamen Sitzung der beiden Landesregierungen, werden künftig umfassend kooperieren. Mehrere Behörden und die beiden Landesbanken werden gar fusionieren. „Wir im Norden“, schwärmte von Beust und Simonis nickte bekräftigend, „wollen es wissen.“

Am konkretesten ist die Fusion der beiden Landesbanken zu einer gemeinsamen „HSH Nordbank“. Der Vertrag wurde von Bürgermeister und Ministerpräsidentin gestern unterzeichnet, nach Zustimmung der Landesparlamente kann die neue Bank am 1. Juni offziell die Geschäfte aufnehmen (siehe Kasten rechts). Noch im Sommer sollen die Eichverwaltungen der beiden Länder zusammengelegt werden, zum Jahreswechsel sollen die Fusionen der Statistischen Landesämter sowie der Datenzentrale Schleswig-Holstein mit dem Hamburger Landesamt für Informationstechnik zu einem „gemeinsamen IT-Dienstleister“ folgen. In beiden Fällen werden „fusionsbedingte Entlassungen“ ausgeschlossen.

Zudem vereinbarten Schwarz-Schill-Hamburg und Rot-Grün-Kiel enge Kooperationen und gemeinsames Vorgehen in der Ostseepolitik, im Katastrophenschutz und bei der Lebensmittelüberwachung. In absehbarer Zeit würde eine Liste von 30 Prüfaufträgen abgearbeitet, „und dann sehen wir, wo und was sich machen lässt“. Man wolle überall dort zusammenarbeiten, sagt Simonis, „wo es den Bürgern nutzt und für beide Partner ein fairer Interessenausgleich gegeben ist“. Von der Idee eines „Nordstaates“ halten zwar beide nichts. „Das ist ein blutleeres Gebilde“, befand Simonis, „eine gemeinsame Regierung steht nicht auf der Tagesordnung“, bekräftigte von Beust. Gegen weitere Partner hätten jedoch beide nichts einzuwenden. Es handle sich nicht um einen „Closed Shop“, so Simonis, die Tür sei offen für Niedersachsen und auch für Bremen oder Mecklenburg-Vorpommern.

Gemeinsame Planungen wollen die beiden Länder auch auf drei weiteren Gebieten vorantreiben. In der Verkehrspolitik haben der Bau der A20 von Lübeck nordwestlich um Hamburg herum inklusive einer Elbquerung bei Glückstadt Priorität, sowie die Verbreiterung der A7 von Hamburg Richtung Norden und eine feste Fehmarnbelt-Querung „für Straße und Schiene“. Eine erneute Vertiefung der Unterelbe wird ebenfalls befürwortet, sofern „Deichsicherheit und Umweltbelange“ nicht tangiert würden. Und drittens soll die Zusammenarbeit „im Wachstumsmarkt“ Bio- und Gentechnik, Pharmaindustrie sowie Wellness- und Gesundheitssektor intensiviert und unter dem Label „Life Science Nord“ international präsentiert werden.

Und zusammen verreisen wollen die rote Heide und der schwarze Ole künftig auch. Gemeinsame Delegationen in „beiderseits interessierende Regionen“ wollen sie anführen, wenn immer der Terminkalender es zulässt. Im Mai fahren sie schon mal nach St. Petersburg, Ausflüge in Ostsee-Staaten können sie sich vorstellen und weitere Reisen auch: „Amerika oder China“ finden Hamburg und Schleswig-Holstein interessant.