: Qualmverbote: „Deutschland bricht voll ein“
Abrücken in Bayern, Einknicken in Berlin: Die Nichtraucherschützer müssen Niederlagen bei Kneipenregeln einstecken
BERLIN taz ■ In Deutschland läuft es auf bundesweit einheitliche lockerere Rauchverbote für Kneipen und Restaurants hinaus. Nachdem die CSU in Bayern ein Abrücken von einer strengen Regel angekündigt hat, ist nach Recherchen der taz allein in Hamburg ein Qualmverbot ohne Ausnahmen nicht ganz vom Tisch. In allen anderen Ländern zeichnet sich ein Lösung ab, die Tabakkonsum sowohl in Nebenzimmern als auch in Einraumkneipen erlaubt, die höchstens 75 Quadratmeter groß sind, keine Speisen zubereiten und nur Erwachsene einlassen.
In Bayern kündigte der designierte Ministerpräsident Horst Seehofer eine Änderung des Nichtraucherschutzgesetzes an. Dies habe „die bayerische Volksseele verletzt“. Die FDP, potenzielle Koalitionspartnerin der CSU, will sowieso lockere Regeln. Damit würde auch in Bayern das Rauchen in Nebenzimmern und bestimmten Einraumkneipen gestattet. Alle Bundesländer müssen sich nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts entscheiden, ob sie diese laxe Variante oder das bisherige bayerische Verbot wählen. Bayern hatte als einziges Land Qualmen in Nebenräumen verboten. Dies wird in der CSU als ein Grund für ihre Wahlblamage gesehen. Hingegen verwiesen Nichtraucherschützer in anderen Ländern stets auf die bayerische Lösung.
„Ich schätze, dass Deutschland damit in der vollen Breite einbricht“, sagte Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum. „Nach Bayern werden sich die Ministerpräsidenten aller Länder für Ausnahmen von den Rauchverboten entscheiden – mit geringen regionalen Unterschieden.“ Der Gedanke, Arbeitnehmer zu schützen, sei komplett weggefegt.
Viele Länder haben bereits angekündigt, Rauchen in Einraumkneipen wieder gesetzlich zuzulassen. Sogar Berlin, wo Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) für ein Komplettverbot eintrat, wird solche Ausnahmen ermöglichen. Darauf habe sie sich mit Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) geeinigt, sagte ihre Sprecherin: „Manchmal muss man einsehen, dass ein Vorhaben keine gesellschaftliche Mehrheit findet.“
Auch in Bremen, wo die für strenge Regeln eintretenden Grünen mit der SPD regieren, ist ein Komplettverbot unwahrscheinlich geworden, wie eine Sprecherin der Gesundheitssenatorin sagte. In Hamburg bleiben die Grünen hart. „Wir haben in der Fraktion die Linie, dass es ein absolutes Rauchverbot geben soll“, sagte Gesundheits-Sprecherin Linda Heitmann. Nichtraucherschutz mit Ausnahmen bringe nichts. „Da wünsche ich den anderen Ländern viel Spaß.“ Harald Krüger vom Koalitionspartner CDU ist auch für ein absolutes Verbot. Seine Fraktion habe aber noch keine einheitliche Meinung. GEORG LÖWISCH