Der Tribun spielt mit Puppen

Wagner versus Wagner: Wie Katharina das Werk ihres Urgroßvaters mit Anfänger-Gags und infantiler Ironie überzieht, ist jetzt am Bremer Theater zu erleben. Immerhin verliert der „Rienzi“ dadurch seine protofaschistischen Konnotationen

Im Norden wagnert es gewaltig: Im „Ring“-Kampf zwischen Hamburg und Lübeck hat letzteres Theater bereits mit einer hochgelobten „Rheingold“-Produktion gepunktet. Kommendes Wochenende wird sich die Hamburger Staatsoper bemühen müssen, die an der Trave auch beim „Walküre“-Wettstreit hoch gelegte Latte nicht zu reißen. Und jetzt meldet sich auch noch Bremen mit einem „Rienzi“ zu Wort.

Das dortige Alleinstellungsmerkmal heißt Katharina Wagner. Qua Qualifikation „Urenkelin“ hat es die 30-Jährige gerade zur Bayreuth-Chefin gebracht, „Rienzi“ ist ihre erste Inszenierung seit der dynastisch motivierten Ernennung – und steht deshalb unter besonderer Beobachtung. Bild inszenierte prompt einen „Zoff zwischen der Wagner und unserem Theater“, Katharina machte eifrig mit: Sie schimpfte über Technik, Orchester und Kostüme. Am nächsten Tag wurde mit „Intendant Frey und Wagner haben sich wieder lieb“ eine weitere Überschrift generiert. So viel Theater vor dem Theater macht skeptisch: Wer auf der Bühne wenig zu bieten hat, bedient gern Nebenschauplätze. Und Wagner ist keine erfahrene Regisseurin. Die Geschichte des römischen Tribuns Rienzi, der das Volk von der Willkürherrschaft des Adels befreit, später jedoch unter die Räder des eigenen Größenwahns gerät, ist erst ihre fünfte größere Inszenierung.

Mit derart wenig hatte man trotzdem nicht gerechnet: Die zunächst kredenzten Ideen könnten aus dem Wochenend-Workshop „Regie“ der Volkshochschule stammen. Um Rienzis Herrschaftsanspruch auszumalen, müssen die Choristen eine goldene Kugel durch die Reihen reichen, die Vertreter der Kirche im Gänsemarsch über die Bühne staksen. Neben mancher Cheerleading-Einlage findet auch das Motto „Blut ist immer gut“ reichlich Anwendung. Derweil mutiert das die Bühne beherrschende Abbild der Roma, Symbol ruhmreicher Geschichte, zum Manga-mäßigen Pin-up.

Wagner vertraut dem Prinzip der infantilen Ironisierung. Nun bietet ein gut vierstündiger Opernabend ja durchaus Gelegenheit, die dramaturgische Kurve noch zu kriegen. Tatsächlich schafft es Wagner, zum Ende des zweiten Aktes einen Moment der Dichte zu schaffen: Nachdem Rienzi per Laubbläser seine Feinde wegpustet und eine gold lackierte Mülltonne zum Triumphwagen umfunktioniert hat, läuft er zu so alberner Hochform auf, dass sein Gehopse und Gepose tatsächlich etwas darstellt: den Rausch des Größenwahns.

Zudem kann man Wagner zugestehen, dass das Werk so seines ideologischen Gehalts entledigt wird. Zwar muss auch der Bremer Rienzi das „entartet’ Volk“ beschimpfen, das sich der Erhöhung durch ihn nicht wert zeigt. Doch ein Tribun, der beim Untergang mit Handpuppen spielt, bietet wenig Identifikationspotenzial für Führer und ähnlich autoritär orientierte Charaktere. Lange klebte am „Rienzi“ Hitlers Selbsteinschätzung „in dieser Stunde begann es“ – er hatte das Werk als Jugendlicher in der Linzer Oper gehört. Wegen seiner protofaschistischen Tendenzen blieb „Rienzi“ nach 1945 überwiegend in der Versenkung, nun hat Wagner angekündigt, ihn demnächst erstmals in Bayreuth aufzuführen.

Der Bremer Probelauf bleibt ambivalent – was nicht am künstlerischen Personal liegt. Insbesondere der von Tarmo Vaask einstudierte Chor bewältigt seinen umfangreichen Part brillant, Mark Duffin ist ein großartig durchdrehender Rienzi. Und das von Wagner vorauseilend geschmähte Orchester? Unter der Leitung von Christoph Ulrich Meier leisten sich die Bremer Philharmoniker manche Verhuschtheit in den Streichern, mangelnde Stimmführung im Holz sowie Präzisionsdefizite beim Blech. Zudem wäre die übermäßige Verhaltenheit, mit der sie während der Ouvertüre aufspielen, in manch sensibler Szene vonnöten gewesen. Alles andere hat Wagner selbst zu verantworten.

HENNING BLEYL

nächste Aufführung: heute, 19 Uhr, Theater Bremen