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Archiv-Artikel

Hattig zahlt, Pierwoß bleibt

Der Intendant des Bremer Theaters hat sich weitgehend mit seiner Forderung durchgesetzt: Wirtschafts- und Finanzressort spendieren ca. drei Millionen Euro, um Pierwoß bis 2007 zu halten. Dann geht der Poker ums Geld wieder los

„Selbst beim Gang auf die Toilette hat man mir nachgerufen: ‚Ja nicht abhauen“

taz ■ Manche Nachrichten sind so gut, dass ihnen nur noch mit der Bibel beizukommen ist: „Ich kann die frohe Botschaft verkünden“, erhob gestern Kultursenator Kuno Böse (CDU) vor versammelter Presse das Wort, „Generalintendant Klaus Pierwoß ist bereit, seinen Vertrag um drei Jahre zu verlängern.“

Das ist das Ergebnis eines erneuten Angebots, das der Kultursenator dem Intendanten des Bremer Theaters gemacht hat, nachdem die Vertragsverhandlungen Ende Januar gescheitert waren.

Pierwoß hatte damals die Verlängerung seines Vertrages an die Bedingung geknüpft, dass der Senat die Tarifsteigerungen der Gehälter bis zum Jahr 2009 voll übernimmt – Böse bot an, die Tarifsteigerungen bis 2007 zu drei Vierteln zu übernehmen. Geeinigt hat man sich gestern auf ein Modell, dass es laut Pierwoß dem Theater ermögliche „für drei Spielzeiten, also bis 2007, den Status Quo zu erhalten“.

Zwar werden nicht die Tarifsteigerungen von der Stadt gezahlt, dafür wird an anderen Stellen im Wirtschaftsplan des Theaters aufgesattelt: Die Finanzverwaltung erlässt dem Theater bis zur Spielzeit 2006/2007 jährlich rund 430.000 Euro Schulden, außerdem wird die Eigenbeteiligung des Theaters an den Umbaumaßnahmen in Höhe von einer Million Euro hinfällig. Böse: „Der Senat sieht das Angebot unter dem Gesichtspunkt der Entschuldung des Theaters.“

Der Senat sei „über seinen Schatten gesprungen“, berichtete der Kultursenator sichtlich erleichtert, und feierte den Senatsbeschluss als „Signal“ für eine neue „Schwerpunktsetzung“ der Sanierungspolitik: „Die Kultur hat gewonnen und alle Senatskollegen haben das Ergebnis mitgetragen.“

Zusammen mit der Kultur auf dem Siegertreppchen steht auch die geplante Bewerbung Bremens als Kulturhauptstadt, auf die bei einem Scheitern der Verhandlungen mit dem wortgewaltigen Theaterintendanten gleich zu Beginn ein Schatten gefallen wäre. Böse hatte sich ausdrücklich „nicht vorstellen können, die Bewerbung ohne Pierwoß und das Theater anzugehen.“

Pierwoß indes beeindruckte bei seiner Entscheidungsfindung erstens der „riesengroße Rückhalt“ im eigenen Haus und zweitens „die Rückenstärkung in der Öffentlichkeit“, in den Medien und im Alltag: „Selbst beim Gang auf die Toilette hat man mir nachgerufen: ‚Ja nicht abhauen, hier bleiben.“

Die Taktik, mit einer Bewerbung nach Kassel „offensiv umzugehen“, hat offensichtlich geholfen – wenngleich Pierwoß jegliche „Drohungsszenarien“ von sich weist.

Einziger Wermutstropfen der gestrigen Umarmung zwischen Theater und Kulturverwaltung: Die Laufzeit des Vertrages.

Böse hätte Pierwoß gerne für fünf statt nur für drei Spielzeiten unterschreiben lassen. Pierwoß sagte: „Die vierte und fünfte Spielzeit kommen zu diesen Bedingungen für mich nicht in Frage.“

Im Sommer 2007 werden also neue Verhandlungen losgehen – und dann wird das Theater auf den durch Tarifsteigerungen erhöhten Personalkosten sitzen, für die es aus dem Kulturetat keine Deckung gibt. Das Theater kann nur hoffen, dass dann der Joker „Kulturhauptstadt Bremen“ noch einmal zieht – weil Bremen den Zuschlag hat.

Klaus Irler