: Realität beißt
Alte Helden, die soundsovielte: Nach sechs Jahren Pause kehrt der ehemalige Lemonheads-Vorturner Evan Dando mit dem Soloalbum „Baby I‘m Bored“ zurück
Evan Dando ist so eine Marke, wie man im Niedersächsischen gern mal sagt. Da verschwindet er nach dem letzten Lemonheads-Album „Car Botton Cloth“ praktisch von der Bildfläche, zumindest von der der Musikmagazine; da macht nur die Runde, dass er wie zu Lemonheads-Zeiten weiter gern an Drogen nascht und sehr auf den Hund gekommen zu sein scheint; und dann kehrt Dando dieses Jahr mit einem Ende März erscheinenden Soloalbum zurück und nennt dieses: „Baby I’m Bored“. Der wackere Niedersachse würde also auch fragen: Merkt der’s noch?
Nun wäre es zu einfach, Dandos Lebensgeschichte auf diesen knappen Nenner zu bringen: gefallener Popstar, Drogen, uneinsichtiger Solomusiker. Etwas komplexer ist sie schon. Als die Lemonheads sich 1997 auflösten, fielen Dando schwere Steine vom Herzen. Es war weniger der Split, der Dando erleichterte, das Ende von jahrelangen, bandinternen Querelen – bestand die Band doch vor allem aus ihm und zahllosen, wechselnden, unwichtigen Mitmusikern.
Vielmehr ging es ihm um das Abstreifen eines alten Lebens mitsamt Image, das in der Blütezeit von Grunge in den Neunzigern sehr heiß lief: Evan Dando war der smartere und nettere kleine Bruder von Kurt Cobain, ein typischer Slacker aus bürgerlichem Elternhaus, der zufällig Musiker geworden war und mit seiner Hardcore-Band plötzlich die Begehrlichkeiten einer großen Pop-Öffentlichkeit weckte. Ein Cover (Susanne Vegas „Luka“), ein zweites (Simon&Garfunkels „Mrs. Robinson“), und schon war es um die Lemonheads geschehen. Nicht zuletzt weil Dando passabel aussah mit seinen langen, blonden Haaren und seinem weich wirkenden Gesicht. Ein Typ zum Knuddeln, der etwas neben der Spur war, aber gut singen konnte, besser jedenfalls als die anderen Grunge-Jammerlappen, irgendwie sanfter. Zudem waren die vielen bis 1994 erscheinenden Alben der Lemonheads kein purer Grunge: eher Melody-Punkrock („Lick“), dann traditioneller Rock („Lovey“), schließlich Drei-Minuten-Pop („Come On Feel“). Dando wollte sich ausprobieren, nicht immer dasselbe machen, was ihm gut gelang. Nur dauernd herumgereicht zu werden und als Gen-X-Ikone zu gelten, deren Liebesleben viel interessanter war als ihre Songs (Winona Rider, Belinda Carlysle, Jennifer Capriati?), das passte ihm nicht, da knipste er sich gern mal aus.
So hat Dando im Folgenden einige Entzugsanstalten von innen gesehen, aber auch bewusst eine Auszeit genommen, verschnauft und dem ewigen Zyklus von Album, Tour und Album ade gesagt. Mit Musik ging es trotzdem weiter: Dando schrieb Songs für das Blake-Babies-Album „God Bless The Blake Babies“, der Band seiner alten Freundin Juliana Hatfield; er spielte mit Leuten von Massive Attack und Phantom Planet, besonders immer wieder mit Ben Lee und den Jungs aus der Wüste: Howe Gelb, John Convertino und Joey Burns.
Letztere haben mit ihm auch „Baby I’m Bored“ eingespielt, ein Album, für das man Dando am liebsten wieder kräftig knuddeln möchte: gut gemacht, Evan! Bist ganz der Alte! Darauf finden sich viele schöne Songs, die gut auf die letzten Lemonheads-Alben passen würden: Folk-Pop, Singer/Songwriter-Pop eben. Dando singt immer noch sanft-sehnsüchtig und krächzig, flötet „Honey, it looks like you“, räsoniert über die harten Seiten des Lebens und seinen „Drug Body“ und fragt sich „Why Do You Do This To Yourself?“.
Man ist nun geneigt, dem Album zu unterstellen, eine einzige Reflexion auf Dandos altes Popstarleben zu sein. Etwa wenn er in „All My Life“ über die Dinge singt, die er nie gebraucht hätte. Oder in „Same Thing“ den ewig gleichen Stiefel geißelt, den er anzuziehen hatte. Aber das ginge vielleicht zu weit, da hat er mit dem schlurfigen Titel „Baby I’m Bored“ klug vorgebaut. Reicht ja, sich darüber zu freuen, dass Evan Dando die Kurve bekommen hat.
GERRIT BARTELS
Heute Abend, 20 Uhr, Pfefferbank, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg