: „Sonderregeln mildern höchstens“
Karl Brenke, Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hält Liberalisierungen im Gewerbe- und Baurecht für unumgänglich. Vieles könne der Senat aber auch ohne Sonderwirtschaftszone umsetzen
taz: Herr Brenke, PDS-Wirtschaftssenator Harald Wolf fordert die Errichtung einer Sonderwirtschaftszone Ost, mit Berlin als Zentrum. Ist dies ein vernünftiger Vorschlag?
Karl Brenke: Zunächst einmal sollte Herr Wolf seine Vorschläge konkretisieren. Man könnte aber sicherlich überlegen, ob es nicht bei bestimmten gesetzlichen Regelungen – etwa beim Baurecht – Vereinfachungen geben könnte. Zum Teil ist dies in Ostdeutschland auch schon geschehen. Im Gewerberecht stehen ohnehin Liberalisierungen auf der Tagesordnung. Im Meisterrecht ist zum Beispiel das Meisterprivileg nicht mehr zu halten, weil es den Wettbewerb behindert. Das könnte das Land Berlin aber auch jetzt schon abschaffen, ohne eine Sonderwirtschaftszone Ost. Man müsste versuchen, Regelungen, die Wettbewerb und Wachstumskräfte in Gesamtdeutschland behindern, aus dem Weg zu räumen.
Der Wirtschaftssenator will insbesondere in Ostdeutschland und Berlin Bauvorhaben beschleunigen.
Wenn man bestimmte Regelungen sinnvoll vereinfachen kann, sollte man das gesamtdeutsch tun. Bestimmte gesetzliche Regelungen sind aber sinnvoll, die kann man nicht alle abschaffen. Man kann doch nicht sagen, man macht keine Statikprüfungen mehr an Gebäuden.
Wie können dann Ostdeutschland und Berlin wirtschaftlich auf die Füße kommen?
Der Osten hängt mehr und mehr an der allgemeinen Konjunktur. Wir müssen in Deutschland und der EU wieder zu Wachstumsraten kommen, bei denen Beschäftigung aufgebaut wird.
Dies würde aber noch nicht die Schere zwischen dem Berliner und dem bundesdeutschen Wachstum schließen, die immer weiter auseinander klafft.
In Berlin haben wir die zusätzliche Schwierigkeit, dass einzelne Branchen, etwa die Bauwirtschaft, stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Und wir registrieren erhebliche konjunkturdämpfende Effekte, die von den Sparmaßnahmen des Landes Berlin ausgehen. Das trübt die wirtschaftliche Entwicklung in der Stadt zusätzlich ein. Berlin allein wird aus der Finanzfalle, in der das Land steckt, nicht herauskommen. Dies wird allenfalls mit Hilfen des Bundes möglich sein. Gesetzliche Sonderregelungen können die gravierenden Probleme der Stadt grundsätzlich nicht lösen, sondern höchstens abmildern.
Und was sollte der Berliner Senat Ihrer Meinung nach jetzt tun?
Neben der Liberalisierung beim Handwerksrecht muss endlich die Investorenbetreuung aus einem Guss kommen. Es dauert offenbar Jahre, bis man in Berlin so etwas auf die Schiene bekommt. Das ist aber keine Frage von gesetzlichen Regelungen, sondern von politischem Handeln. Die Berliner Unternehmen – das zeigen unsere Umfragen – beklagen immer noch, dass es in der Stadt sehr bürokratisch zugeht, was etwa die Zuständigkeiten von Hauptverwaltungen und Bezirken anbelangt. Hier kann man einiges im Zuge von Verwaltungsreform vereinfachen, ohne gesetzliche Regelungen zu ändern.
INTERVIEW: RICHARD ROTHER