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Archiv-Artikel

Café Verdinale

Nicht nur Glanz und Glamour in der Filmbranche: Der Markt liegt darnieder, Tarife werden gebrochen, warnen die Gewerkschaften auf der Berlinale

von PETER NOWAK

Berlinale in Berlin: Bei den Internationalen Filmfestspielen tummeln sich die Schönen und die Reichen. Wer will da schon über Löhne, Tarife oder seine Versorgung im Alter reden? Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, die Verbände der Filmschaffenden und das spezielle gewerkschaftliche Serviceangebot für Filmschaffende Connexx.av, sie wollen.

Darum eröffneten gestern die drei Organisationen im Zentrum des Filmfestivals, am Potsdamer Platz in Berlin, das Café Verdinale. „Wir wollen Interessierten aus der Film- und Medienbranche Gelegenheit geben, über berufliche Fragen sowie die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen zu diskutieren“, sagte Heinrich Bleicher-Nagelsmann, bei Ver.di für die Filmbranche zuständig. So ging es gestern bereits um die Änderungen im Urheberrecht. Denn deren Auswirkungen für die Filmbranche sind beispielsweise den meisten Drehbuchautoren noch weitgehend unbekannt. Bis zum 16. Februar wird dann vor allem über die sozialrechtliche Situation der Filmschaffenden diskutiert. Dazu gehören etwa die Arbeitsverträge eines Kameramanns oder die Altersrente von Schauspielern.

Immer steht dahinter eines: Verdeutlicht werden soll, dass die Arbeitsbedingungen in der Filmbranche keineswegs ideal sind. „Der darniederliegende Markt mit Preisdumping, Tarifbruch, Missbrauch von Filmförderungen, Unklarheiten bei den Verwertungsrechten heizen die Gemüter an“, beschreibt beispielsweise die Connexx.av die Stimmung in der Filmbranche.

Eine Umfrage der Gewerkschaften ist alarmierend: Die Hälfte aller Befragten gab an, dass sie sich durch die Arbeitsbedingungen gesundheitlich stark belastet fühlen und ihr Privatleben stark beeinträchtigt wird. Der Altersdurchschnitt in der Branche liegt bei 36 Jahren. Und die Einkommenssituation ist dort alles andere als rosig, wenn man nicht Richard Gere oder Tom Hanks heißt. Weniger bekannte Künstler müssen sich im gnadenlosen Konkurrenzkampf behaupten, nehmen in Kauf, dass sie keinen Anspruch auf Urlaub oder Ruhegeld haben. Feste Verträge gibt es kaum, gearbeitet wird auf Honorarbasis.

Gerade in den Bereichen, die mit dem Aufblühen der „neuen Ökonomie“ einen enormen Wachstumsschub erfahren hatten, war der gewerkschaftliche Organisationsgrad lange Zeit besonders gering. Dort war die Vorstellung weit verbreitet, dass man ganz auf sich alleine gestellt schon am besten durchkommen werde.

„Das Interesse an gewerkschaftlicher Organisierung ist jetzt gewachsen, auch wenn keine Masseneintritte aus dieser Branche zu verzeichnen sind“, so Bleicher-Nagelsmannn gestern. Tatsächlich gehört die Fachgruppe Rundfunk, Film, AV-Medien bei Ver.di mit ihren 25.000 Mitgliedern nicht gerade zu den Branchenriesen. Projekte wie das Café Verdinale aber zeigen, dass der Bedarf da ist, eine Debatte über Arbeitsbedingungen in der Filmbranche zu führen, eben auch auf der Berlinale.