: Ehrenhalber ehrenamtlich
Sieben Jahre Spendenparlament: Was sind das für Menschen, die Millionen für Bedürftige sammeln? Sie reden nicht gerne darüber
Spendenparlamentarier reden nicht gerne über sich selber. Sie reden lieber über das Spendenparlament. Über die 3200 Mitglieder, die jährlich mindestens 60 Euro spenden und darüber abstimmen, wofür. Über Menschen, die sich in Projekten für Bedürftige engagieren. Über Werbe- und PR-Agenturen, die das Spendenparlament gratis betreuen. Und über Stephan Reimers, den ehemaligen Landespastor, der vor sieben Jahren eine Vision hatte, aus der nun ein in 15 deutschen Städten nachgeahmtes Vorzeigeprojekt geworden ist.
Viele von denen, die sich damals von Reimers Idee anstecken ließen, sind bis heute dabei. Eine von ihnen ist Klara Braun. Die Lehrerin war gerade pensioniert und hatte „viel Zeit“, als sie im August 1995 in der Zeitung über das Vorhaben las. Vor zwei Jahren hat sie für ihr Engagement den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Den wollte sie erst gar nicht annehmen, den eigentlich nehmen „echte“ Hamburger keine Orden an.
Morgen vor sieben Jahren trat das Spendenparlament zum ersten Mal zusammen – im Rathaus. Und deshalb feiert es morgen seinen siebten Geburtstag mit einem Empfang im Museum der Arbeit – der natürlich von Ehrenamtlichen organisiert und von Spendern mit Speisen, Getränken und Musik ausgestattet wird.
Spendenparlamentarier sind Hamburger im besten Sinne. In ihren Golf- und Tennisclubs nerven sie ihre Mitspieler so lange, bis die sich auch irgendwie nützlich machen. Durch dieses hartnäckige Wirken im gesellschaftlichen Oben hat das Parlament über 360 soziale Projekte mit insgesamt 2,7 Millionen Euro unterstützt – Mitgliedsbeiträge, Spenden, sogar Erbschaften.
Dabei wird jeder Antrag auf Unterstützung zunächst von der Finanzkommission geprüft. Das Parlament finanziert nämlich nie dauerhaft, sondern nur Anschub, Überbrückung oder einzelne Projekte. Ist die Hürde genommen, beschäftigt sich ein Kommissionsmitglied mit dem Projekt. Kommt die Finanzkommission zu einem positiven Votum, rät sie den Parlamentariern, das Projekt zu fördern.
Und dabei gilt: wie gespendet, so verwendet. Beim Spendenparlament bekommt niemand etwas für Verwaltung, Marketing oder Pressearbeit. „Wir haben noch keine einzige Mark für Werbung ausgegeben“, sagt Martina Krusekamp. Die freiberufliche Kundenberaterin ist mit ihren 37 Jahren untypisch jung für eine Spendenparlamentarierin – der Altersdurchschnitt liegt bei etwa 60. Auch sie ist von Anfang an dabei. Als sie damals von der Idee erfuhr, schrieb sie an Klara Braun: „Es muss schick werden, im Spendenparlament zu sein.“ So wie im Rotary Club. Klara Braun schrieb zurück: „Dann machen Sie doch mit.“ Seitdem ist die Werbexpertin im Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit aktiv. Sie will noch mehr junge Leute mitreißen und sagt: „Man muss nicht begütert sein.“ Und: „Bei uns wird einfach gemacht.“ Neue Homepage? Eine Feier? Plakate sind da, aber kein Geld, sie aufzuhängen? „Wenn man mal darüber nachdenkt, kennt immer einer jemanden, der etwas tun kann.“
Aber häufig müssen diese Leute erstmal zu einem Blick über ihren persönlichen Tellerrand genötigt werden. „Ich komme mir manchmal vor wie ein Pastor“, sagt Dirk Bleese, Vorstandsvorsitzender des Spendenparlaments – ehrenamtlich und ehrenhalber natürlich. Denn „uns hier geht es gut, da weiß man oft gar nicht, wie schlecht es anderen geht.“ Und als er noch IBM-Manager war, ging ihm das ähnlich, „man ist so eingespannt, da bekommt gar nicht mit, was um einen herum passiert“. Deshalb erzählt er seinen gutsituierten Freunden gerne, wie schnell man abrutschen kann. „Ich war immer instinktiv sozial eingestellt, aber jetzt hat das eine Basis.“
Klara Braun haben die Erfahrungen freier gemacht. „Meine Maßstäbe für menschliche Größe haben sich verändert.“ Groß ist nicht mehr, wer bekannt ist. Groß ist beispielsweise die Frau, die in Steilshoop mit Arbeitslosen eine Nähwerkstatt aufgebaut hat. Groß sind die Frauen, die sich um Haftentlassene kümmern. Und groß sind die Ärzte und Krankenschwestern, die bei Amnesty for Women arbeiten. Dabei will Klara Braun keinen Dank: „Denn was wir für die Schwächsten tun, tun wir für uns.“ Denn schließlich müssten sich nicht Bettler für ihre Situation schämen, „sondern wir müssen uns schämen“.
Und müssen sich nicht auch Politiker schämen, die an sozialen Projekten kürzen? Das würde ein Spendenparlamentarier so niemals sagen. „Es steht uns nicht zu, den Senat zu kritisieren“, sagt Bleese, der einsieht, dass „nicht mehr so viel Geld da ist“.
Zwar sei wahr, dass immer mehr Projekte das Spendenparlament um Hilfe bitten, die bisher immer von der Stadt finanziert wurden. Aber Protest? Nein. „Wir wollen nicht politisch sein“, sagt Klara Braun. Sie wirken lieber im Hintergrund. Schließlich kennt immer jemand jemanden.SANDRA WILSDORF
Der Empfang beginnt Sonntag um 11 Uhr im Museum der Arbeit. Eintritt: 10 Euro, inklusive Buffet. Weitere Infos: www.spendenparlament.de