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Archiv-Artikel

Freundschaft und Pflaumenschnaps

Der Kaiser, seine Schwester und die unterschiedlichsten Arten, eine Schlägerei zu beginnen: Jeff Laus Komödie „A Chinese Odyssey 2002“ läuft im Forum-Programm

Immer wenn das Herz voll Schmerz oderLiebe ist, beginntjemand zu singen

Manchmal haben die Filmfestspiele Festcharakter. Wenn es abends zum Beispiel wieder einen schönen Film aus Hongkong gibt. Dazu zieht man sich gut an, duscht, rasiert sich, nimmt das bessere Aftershave und sitzt dann unter lauter gut gekleideten Asiaten erwartungsvoll vor der Leinwand. Erfahrungsgemäß ist man dann sehr begeistert und guter Dinge; davor, danach und währenddessen.

Die zugleich seltsame und temporeiche Kostüm- und Verwechslungskomödie „A Chinese Odyssey“, einer der wenigen kommerziellen Produktionen aus Wong-Kar Wai's Jet-Tone-Studios, ist ein wunderbarer Film geworden – mit herrlichen Sequenzen, in denen sich schöne Liebespaare immer wieder endlos voneinander verabschieden, mit witzigen Kampfszenen, pathetischen Operettengefühlen, sentimentalen Schlagerliedern und ganz besonders schönen Farben.

Ah Long (Tony Leung Chiu Wai) betreibt mit seiner Schwester Feng (Vicki Zhao) eine Gastwirtschaft. Er ist ein nutzloser Heumtreiber, sie eine Außenseiterin, die es liebt, sich als Mann zu verkleiden. Die Geschichte spielt während der Ming-Dynastie. Eine schöne Prinzessin (Faye Wong) kommt vorbei. Sie hat sich als Mann verkleidet, weil sie auf der Flucht aus ihrem goldenen Käfig, dem königlichen Palast, ist. Außerdem wurde ihr das ganze schöne Geld von einem Taschendieb gestohlen.

Ah Long findet, dass die Prinzessin der ideale Mann für seine Schwester ist. Die Prinzessin verliebt sich in Ah Long, der sich auch zu ihr hingezogen fühlt. Zur gleichen Zeit macht sich der junge Kaiser (Chang Chen) auf die Suche nach seiner Schwester. Es geht ihm dabei auch darum, dem langweiligen Leben am Hof zu entfliehen. Auf der Suche nach seiner Schwester entdeckt der Kaiser seinen Hang zum Bohemien-Leben.

Das Szenario sorgt für allerlei Turbulenzen, Situationskomik, Verwechslungen. Das Genderthema wird durchdekliniert, betrunken vom schönen Pflaumenschnaps landen drei auch schon mal im Bett, lustig sieht man Beine strampeln, und immer, wenn das Herz voll von Schmerz oder Liebe ist, beginnt jemand zu singen.

Aber eigentlich ist die Geschichte nur der Rahmen für ein anspielungsreiches Theater, in dem man nicht alles versteht – die zwei „A Chinese Odyssey“-Filme von 1995 gab's nicht im Westen –, aber doch einiges. Manchmal hat man das Gefühl, Jeff Lau parodiere die melancholisch postmodernen Filme seines Produzenten, etwa wenn Bilder plötzlich gefrieren. Manchmal ist man etwas irritiert, wenn das Ohr eines Polizisten, in das während einer Balgerei hineingebissen wurde, riesengroß wird, manchmal ist man erstaunt darüber, dass den Filmemachern wieder ein neuer interessanter Kampfstil eingefallen ist.

Seltsam toll ist es auch, wie Jeff Lau verschiedene Elemente westlicher Popgeschichte in seinem Film verarbeitet. Eine Weile hat der Kaiser zum Beispiel einen Afrolook, läuft in Plateauschuhen herum, und seine Leibgarde trägt lustige Handtaschen. Ganz seltsam auch eine Szene, in der der Herumtreiber Ah Long mit der als Mann verkleideten Prinzessin im Treibsand versunken ist und ihr mit Hilfe eines Blatts, das er mit dem Mund greift, von seinen Tränen zu trinken gibt.

Es blühen die Kirsch- und Pfirsichbäume, in Freundschaft trinkt man Pflaumenschnaps, die große Liebe findet Erfüllung, kurz: „A Chinese Odyssey 2002“ ist ein ganz wunderbarer Film.

DETLEF KUHLBRODT

Heute, 24 Uhr, Delphi, morgen, 14.30 Uhr, CineStar 8, 22.30 Uhr, Filmkunsthaus Babylon