Auf die USA ist kein Verlass

Auch taz-LeserInnen wollen die Kriegsvorbereitungen der USA gegen den Irak nicht kommentarlos abnicken. Einen Teil der hier eingegangenen Zuschriften dokumentieren wir auf dieser Seite

betr.: Friedensdemos und Kriegsvorbereitungen, taz vom 3. 2. 03

Kann man die taz-LeserInnen auf die Unterstützung dieses Krieges einstimmen? Kaum. Man kann ihnen aber das Gefühl vermitteln, dass sich dagegen eigentlich nichts mehr machen lässt. Wie, das zeigt die taz vom 3. Februar: großes redaktionelles Übergewicht an Artikeln , die die Kriegsvorbereitung beschreiben, kleine Artikel über Antikriegsaktivitäten, seltsame Kommentare von Winkelmann und Böhm.

Die Kirchen engagieren sich gegen den Krieg? Dokumentation im Originalton dazu? Nicht in der taz. Dafür eine Diffamierung von „EKD-Chef“ Kock, der – allerdings völlig zu Recht – die „Gottesgesandtheit“ christlicher Fundamentalisten à la Bush, die ein wichtiger Bestandteil US-amerikanischer Außenpolitik ist, mit der „Gottesgesandtheit“ islamischer Fundamentalisten vergleicht (natürlich ist das ansonsten völlig unvergleichlich; für die „gerechte Sache“ schicken Bush & Co. schließlich keine Selbstmordattentäter los, sondern Präzisionsbomben). […]

HORST SCHIERMEYER, Zittau

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betr.: „Kein Funken Erkenntnis“, „Kirche stempelt Bush zum Fundi“, taz vom 3. 2. 03

Warum die Entrüstung über Manfred Kocks Äußerung? Warum die Empörung über die Aussage, dass göttliches Sendungsbewusststein zur Begründung von politischer Aktivität auf fundamentalistischer Basis beruht?

Kirche hat kritische Substanz zu haben, sonst wäre sie überflüssig. Der Komplex „Bush-Administration und der Irak“ ist mehr als eine Predigt wert.

HEIDI V. KROSIGK, Mayen

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Überflüssig, wie Sie die öffentliche Äußerung von Manfred Kock qualifizieren, ist Ihr Kommentar, denn er enthält „keinen Funken eines stichhaltigen Arguments“. Das einzige „Argument“ ist die Beschwerde, sie seien „genervt“. Und das gilt selbst für Grundschüler, sagen wir ab dem neunten Lebensjahr, gegenüber kleinen Geschwisterchen nicht mehr als „Argument“.

Selbstverständlich ist es richtig und wichtig, dass der „Evangelenchef“ öffentlich und im Namen seiner Institution Einsichten ausspricht, die sehr wohl zum Begreifen von Bushs Politik Erhellendes beitragen. Da bringen Sie erst mal eine plausible Widerlegung!

Und genauso richtig ist, dass Heiner Geißler und Kardinal Lehmann ihre Kritik öffentlich äußern. Wenn es nach Ihnen ginge, die von der Möglichkeit träumt, „Redefiguren zu verbieten“, hätte Ulrich Wickert schon vorab einen Maulkorb für sein Zitieren von Arundathi Roy erhalten, für das er hinterher Prügel bezog. Sie meinen, „zu Recht“ – ich frage Sie, zu welchem Recht? Und mir ist auch keine schlüssige Widerlegung von Arundathi Roys genannter Analyse bekannt.

HERMANN MUNTSCHICK,

Göttingen

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Der Nicht-Christ freut sich, wenn sich einmal einige vorwiegend aus Steuermitteln bezahlte Kirchenfürsten entschieden gegen einen Krieg äußern. Sonst trifft er immer nur auf von der Amtskirche als „Gutmenschen“ belächelte „Friedenschristen“. Da sich Bush gerne mit Bibel vor und in Kirchen ablichten lässt, stets Gott und Bibeldenken bei seinen Kriegs- und Racheplänen gegen das „Böse“ anführt, zeigt er doch, dass er vor allem im Alten Testament fundiert ist. Da bieten sich Vergleiche an und sollten nicht tabuisiert werden. Hinken Vergleiche, dann erledigen sie sich von selbst, es sei denn, die Presse verbeißt sich in einen Vergleich und plustert ihn auf. Dabei liebt die Presse Vergleiche fürs Versimpeln. Sie lebt wie viele Religionen vom Konstrukt „Gut und Böse“, die es in der Natur nicht gibt. Sachlichkeit gilt als trocken langweilig.

LUDWIG BERGER, Buchen

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betr.: „Achse der dankbaren Guten“ (Die Unterstützungsaktion von acht europäischen Staats- und Regierungschefs für die USA …), taz vom 1. 2. 03

Die Lage ist zum Verzweifeln und erinnert, obwohl sich Tolkien politische Anwendungen verbat, an den unaufhaltsamen Aufstieg Mordors im „Herrn der Ringe“.

Sogar ein hoch stehender, durch und durch europäischen und humanistischen Idealen verpflichteter Politiker wie Vaclav Havel, den ich lange für eine Lichtgestalt gehalten habe, schlägt sich – wie der Zauberer und Schönredner Saruman („Hütet euch vor seiner Zunge!“) auf die Seite der Macht. Eine new generation von „Quislingen“ scheint sich bereitzumachen, Vasallenpositionen einzunehmen. Hoffentlich bleiben der Welt wenigstens noch ein paar „törichte Hobbits“, um ihr die totale Übernahme durch die „unverzichtbare Nation“ zu ersparen …

MARC HEINECKE,

Hemmingen

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Sie alle nehmen mit ihrer US-Gefolgschaft billigend Völkermord in Kauf, getarnt als Kolateralschäden, um – geopolitischer und wirtschaftlicher Machtinteressen wegen, und nur darum geht es – Saddam Hussein wegzubomben. In den nächsten Tagen und Wochen wird sich zeigen, wer auf amerikanische „Beweise“ hereinfällt, denn diese Supermacht schreckt auch vor Fälschungen und Lügen nicht zurück. Das haben sie in der Vergangenheit öfter bewiesen – auch die US-Aggression gegen Vietnam begann damit. […]

SIEGMAR LORENZ, Straubing

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Das erste Opfer eines jeden Kriegs ist stets die Wahrheit. Mit zunehmender Kriegsnähe rückt die Wahrheit immer mehr in den Hintergrund. Der Feind steht schließlich fest. Das eigene Handlungsziel liegt fest.

Der Prozess beginnt (bei beiden Parteien) mit einer gerichteten Informationspolitik. Je näher Entscheidungen rücken, desto größer ist die Bereitschaft, die „Zaghaften“ mit Vorwänden, Behauptungen, Unterstellungen und letztendlich auch mit Lügen zu überzeugen. So wird derzeit nicht diskutiert, ob es Beweise für Massenvernichtungswaffen gibt oder ob es einen Zusammenhang zwischen Saddam Hussein und den Ereignissen vom 11. September gibt. Dies wird einfach unterstellt, obwohl wir trotz jahrelanger Bemühungen keine Beweise finden konnten.

Es ist ein Armutszeugnis, wenn acht Staatsmänner eine Deklaration unterzeichnen, in der ein Krieg ohne stichhaltige Beweise legitimiert werden soll. […] WINFRIED METZGER, Berlin

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betr.: „Konsens der Bürger“, taz vom 1. 2. 03

Der sich abzeichnende „Konsens der Bürger“ in der Ablehnung der Kriegspläne Präsident Bushs ist nur zu begrüßen. Doch wie kann er wirksam werden?

Dazu wäre nötig, sich und der Öffentlichkeit klar zu machen, dass es nichts anderes als ein weiterer kolonialer Krieg ist, wie er von Europa über zwei Jahrhunderte gegen die arabisch-islamische Welt geführt wurde. Und nötig wäre auch, dass die europäische Zivilgesellschaft über den eigenen Tellerrand schaut und sich mit der Zivilgesellschaft der Region in der Ablehnung des Krieges verbindet. Da mag es zwar Unterschiede in Wahrnehmungen und Zielvorstellungen geben, doch in der Ablehnung von Krieg und seinem Elend, Besatzung, herrschaftlichen Neuordnungsversuchen und Demokratisierung von oben im Interesse einer Stabilität, die nur „stabile“ Ansprechpartner für die Durchsetzung der eigenen Interessen sucht, müsste sich die europäische Zivilgesellschaft mit derjenigen der Region (und sei sie noch so rudimentär vorhanden) einig werden können! […]

JOHANNES REISSNER, Berlin

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betr.: „Entmachteter Sicherheitsrat“ (Auch Frankreich kann einen Irakkrieg nicht mehr verhindern), taz vom 5. 2. 03

Finde ich nicht, dass der Sicherheitsrat seine Legitimationskraft verliert, nur weil die USA machen, was sie wollen. Im Gegenteil. Die US-Regierung verliert dadurch, dass sie von vornherein verkündet, die UN-Entscheidungen sowieso ignorieren zu wollen, auch noch den letzten Rest an Legitimation. Das ist ihr Problem, nicht das von anderen Staaten oder der UNO. Die Isolation der USA wird sich in naher Zukunft dramatisch verstärken.

RUTH EISERT, Frankfurt/Main

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betr.: „Die Achse der Ignoranten“, „Die große Muffe (Deutschlands Irakpolitik), Kommentar von Christian Semler, taz vom 7. 2. 03

Rumsfelds Aussage, Frankreich und Deutschland gehörten zum „alten Europa“, haben wir ja noch als Kompliment aufgefasst. Sein jetziger Verbalausfall, in dem er Deutschland in einem Atemzug mit Libyen und Kuba nennt, lässt erkennen, dass Rumsfeld (nomen est omen) immer noch für das „alte Amerika“ steht, das schon immer geografische, politische und historische Defizite aufgewiesen hat, um auch endlich mal ein schönes Klischee zu bedienen.

Das ist doch mal eine schöne Verlängerung der „Axe(l) des Bösen“. Die Bewachung der amerikanischen Basen in Deutschland durch die Bundeswehr könnte sich so als wirklich nützlich erweisen. Angedacht war ja dadurch ein Schutz der amerikanischen Streitkräfte gegen Angriffe von außen. Vielleicht dreht sich der Spieß und die gute alte Bundeswehr schützt uns vor Angriffen der Amerikaner von innen. Aber, um ausnahmsweise mal mit Joschka Fischer zu sprechen: Cool down!

MARTIN MARKOWITZ,

Düsseldorf

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Donald Rumsfeld hat bei mir die letzten durchaus vorhandenen Zweifel über die Urteilsfähigkeit der amerikanischen Regierung ausgeräumt. Seine Bemerkung zeigt, dass auf die USA kein Verlass mehr ist. Übrigens: Für weniger dummen Unsinn musste eine geachtete deutsche Justizministerin den Kopf hinhalten. Wo bleiben die Rücktrittsforderungen der deutschen Regierung an Rumsfeld? Übrigens weiter: Selbst ein Sieg der USA im Irak wird den Terrorismus nicht beenden. Dieser Krieg ist mindestens ineffizient, um es mal ganz kühl auszudrücken. Die Möglichkeiten der Terroristen von heute und morgen wurden schon vor vielen Jahrzehnten geschaffen. Nun ist alles bereits zu spät.

GÖTZ KLUGE, Tokio, Japan

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Es macht ja langsam den Anschein, als würde an Deutschland ein Exempel statuiert, auf dass das nächste Mal kein Land mehr wagt, Amerika zu widersprechen. SASCHA KELLER,

Hamburg

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Ach, Trennung tut weh! Aber, lieber Donald, ich bin mir sicher, auch du wirst wieder eine neue Freundin finden. Vielleicht im „neuen“ Europa? Gleich nebenan? In Polen zum Beispiel?

Aber ein wenig irritiert bin ich dann doch, wenn du unsere gerade sich in Auflösung befindliche Beziehung dergestalt in Misskredit zu bringen suchst, indem du diese in einem Atemzug mit „bösen Buben“ parallelisierst und – was noch viel schlimmer ist – dies über unsere Intimsphäre hinaus in die Welt blubberst. Na ja, geschenkt. Mein Vorschlag: Putz dir erst mal mal die Nase, und morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Lass uns bitte in Frieden auseinander gehen und dir diesen mit einem dir unverständlichen Fremdwort gespickten Satz übersetzen. THORSTEN HAGEMANN,

München

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Irgendwie haben die Nordamerikaner noch nicht begriffen, dass die Weltordnung nicht ohne weiteres nach ihrem Gusto funktioniert. Und sie sollten mal in Geschichtsbücher schauen: Noch kein Riesenreich hat sich lange halten können.

Käme der große Bruder der Neuen Welt mal auf die Idee, mit anderen Tönen für die Ideale einer Welt ohne Hunger, für die Grundrechte der Menschen einzutreten, stünde ich selbstverständlich gerne an seiner Seite. So aber braucht er sich nicht zu wundern, dass manche Vorhaben eben nicht kommentarlos abgenickt werden.

ANDREAS QUANTE, Wörth

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betr.: „Gefangen im „Perle-Paradox“, taz vom 7. 2. 03

So paradox ist das Ganze gar nicht: Deutschland – ein politischer Zwerg und militärisch irrelevant, wirtschaftlich aber trotz Jammerstimmung im Lande immer noch recht rüstig. Ein Blick zurück:

1953 war die westliche Welt mit dem Krieg in Korea beschäftigt, die Kriegskosten führten zu einer starken Belastung der jeweiligen Staatshaushalte. Derweil in der Bundesrepublik das Fundament für das Wirtschaftswunder gelegt wurde. Nach dem Krieg entwaffnet, konnte das Land die Welt statt mit Rüstungs- nun mit Investitionsgütern versorgen und sicherte sich, derweil die anderen kriegerisch aktiv waren, Anteile am Weltmarkt. Die Grundlage für die Exportnation Deutschland war gelegt. Und heute: Der Kanzler hat nicht nur angekündigt, nicht militärisch an einem Irakkrieg teilnehmen zu wollen, sondern eben auch keine finanzielle Unterstützung leisten zu wollen und, was Rumsfeld zum Kuba-/Libyen-Vergleich trieb: sich auch beim „Wiederaufbau“ des Irak nicht beteiligen zu wollen. Die Parallelen sind augenfällig und müssen den Amerikanern Sorgen machen. Es gilt zu verhindern, dass die deutsche Volkswirtschaft Vorteile aus einem langjährigen militärischen Engagement der USA im Mittleren Osten gewinnt. Deshalb drängt die Bush-Administration ihre Verbündeten zur Unterstützung: nicht aus militärischen oder politischen Gründen, hier verbittet man sich sogar jede Einmischung. Aber den Scheck für den Krieg, den will man nach dem Militärgang nicht alleine einlösen müssen. Denn wer bei der UN ja sagt, der kann sich dann später seiner Verantwortung nicht entziehen. Und so macht auch die Ankündigung des Kanzlers einen Sinn, sich an einem Krieg nicht beteiligen zu wollen, egal wie eine Resolution im Sicherheitsrat lauten wird.

MARCUS OPITZ, Northeim

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Die USA sollten zwei Dinge wissen: Die Römer haben bei all ihren Eroberungszügen die „politische Kultur“ ihrer Gegner respektiert. Der Niedergang des Imperiums setzte ein, als man waghalsige, außenpolitische Abenteuer begann und den Blick fürs Wesentliche, den innenpolitischen Zusammenhalt, verlor.

RASMUS PH. HELT, Hamburg

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