: „Der Feldzug wird kurz, das Nachspiel lang“
Der frühere Nato-Oberbefehlshaber in Europa, General a. D. Wesley Clark, über den drohenden Krieg gegen den Irak und verpasste Chancen
taz: General, sind Sie froh, dass Sie im kommenden Feldzug gegen Saddam Hussein keine Verantwortung tragen?
Wesley Clark: No, ich würde es vorziehen, eine Uniform zu tragen. Dafür bin ich mein ganzes Leben lang ausgebildet worden – und ich glaube, ich war ziemlich gut darin.
General Norman Schwarzkopf, der Kommandeur des Golfkriegs von 1991, meinte neulich: Ganz offen gesagt, manches, was Verteidigungsminister Rumsfeld sagt, macht mich ziemlich nervös. Verstehen Sie ihn?
Ja, sicher. Die Vereinigten Staaten haben gerade ihre Alarmstufe heraufgesetzt. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht den Irak ins Visier genommen. Ich bin der Ansicht, wir hätten uns länger auf al-Qaida konzentrieren sollen. Wir hätten unsre Zeit besser nutzen können.
Wie?
Es ist ein strategisches Prinzip, sein Ziel im Auge zu behalten. Und dieses Ziel lautet, direkt den Terrorismus zu bekämpfen. Ich habe nie daran geglaubt, dass der Irak ein so dringendes Problem ist.
Ist al-Qaida als Terrornetzwerk nicht viel zu amorph, als dass man es mit militärischen Mitteln zu fassen bekommt?
Ich sehe das auch so. Im Fall von al-Qaida muss man auf Mittel der Strafverfolgung setzen.
Im Bezug auf den Irak gilt Containment, also Eingrenzung mit friedlichen Mitteln, als Alternative zu einer Militärintervention. Wie realistisch ist das?
Containment wäre die effizientere Strategie gewesen, um unsre Ressourcen auf den Kampf gegen den Terrorismus zu konzentrieren. Aber die Administration hat diese Debatte vermieden. Jetzt haben wir fast zwei Jahre drangegeben, gegen den Irak zu arbeiten. Diese Zeit ist vergeudet.
Wie kam es so weit?
Über die Motive will ich nicht spekulieren. Außerdem hat sich die Debatte erledigt.
Für diesen Weg ist es jetzt zu spät?
Ein Problem wie Irak entwickelt sich natürlich weiter. Wenn die Vereinigten Staaten Druck auf Saddam ausüben, dann erhöht das das Risiko, dass er etwas unternimmt. Das Problem wird also zum Teil durch den amerikanischen Druck auf die Spitze getrieben. Jetzt müssen wir wohl etwas gegen Saddam unternehmen, dabei haben wir gleichzeitig noch eine brisante Krise in Korea.
Wenn Sie eine Konfrontation mit dem Irak für schwer vermeidbar halten, worin sehen Sie die größte Gefahr?
Im Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen Zivilisten. Das US-Militär kann dagegen wahrscheinlich geschützt werden, aber eben nicht die Zivilisten.
Für wie wahrscheinlich halten Sie einen Häuserkampf um Bagdad, vor dem Experten warnen?
Ich halte das für hochgradig unwahrscheinlich. Saddams Armee hat nicht die Stärke, gegen die überwältigende Übermacht anzukommen, die gegen sie ins Feld geführt wird.
Dann wird der Krieg so kurz wie 1991?
Ich würde sagen, er dauert zwei Wochen.
Und wenn der Plan schief geht? Als Colin Powell noch Generalstabschef war, lautete ein Grundsatz der Powell-Doktrin: Begib dich nie in einen Krieg ohne eine exit strategy zu haben. Gibt es im Irakfeldzug einen Notausgang?
Es gibt für den Irak keine exit strategy.
Warum nicht?
Weil keine entwickelt wurde. Das ist eine der Sachen, die viele Leute beunruhigen. Ich bin vor allem besorgt, was nach einem Feldzug kommen soll.
Pentagon-Berater Richard Perle und andere sagen, nach dem Sieg komme die Demokratie.
Ich halte das für eine problematische Annahme. Viel wahrscheinlicher ist, dass wir für eine Reihe von Jahren ein verwirrtes, schwaches Interregnum erleben, in dem starke Splittergruppen miteinander um die Vorherrschaft ringen.
Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice will das verhindern, indem sie das Land unter US-Militärverwaltung stellt.
Aber auch eine Militärverwaltung kann die vielfältigen zivilen Prozesse nicht beeinflussen, die in einer solchen Situation eine Rolle spielen. Ich glaube, der Feldzug wird kurz, das Nachspiel lang.
Wie lang?
Ich will mich nicht festlegen, aber wir reden von Jahren.
Was kommt nach dem Irak?
Manche Leute meinen, es wird eine Invasion Syriens sein.
Glauben Sie das auch?
Ich hoffe, es wird keinen Bedarf nach weiteren Abenteuern im Nahen Osten mehr geben. Wir werden alle Hände voll zu tun haben, uns um den Irak zu kümmern und mit Nordkorea klarzukommen. INTERVIEW: PATRIK SCHWARZ