: Ehrbar, aber nicht im Bilde
Helmut Schmidt hat Bremen bespuckt – Bremer PolitikerInnen wissen besser als er, warum es unser großes Dorf weiter geben muss
„Weder beflügelnd noch hilfreich“, fand SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen die sonntäglichen Worte eines großen Genossen – Helmut Schmidt hatte im Weser-Report erklärt, die Zahl der Bundesländer müsse verringert werden, Bremen sei als Bundesland „wirtschaftlich nicht lebensfähig.“ Und die Regierenden hätten wenig zu tun, denn übers Geld werde im Bund entschieden, stattdessen verhedderten sich Landespolitiker im Personalwesen, das ergo „eine viel zu große Rolle“ spiele.
Ansonsten schätze er Schmidt sehr, beeilte sich Böhrnsen zu betonen. Aber er wolle „ihm gerne entgegenrufen, dass auch er mal als Landespolitiker angefangen hat“. Als „hoch geachteter“, setzt Böhrnsen gleich nach, als Hamburger Innensenator nämlich.
Hoch geachtet oder nicht, eins habe der Meister übersehen: „Bremen ist nicht Kostgänger der anderen. Bremen ist eine der reichsten Regionen Europas. Was uns arm macht, ist die für Bremen ungerechte Finanzverteilung der BRD.“
Die Vermutung, dass der 84-Jährige inzwischen zu alt sei, solche Details zu beachten, wies Jens Böhrnsen entschieden zurück. „Vielleicht lässt es sich aus seiner Biografie erklären, er sieht die Dinge von einer anderen Ebene“ – der des Weltpolitikers halt.
Als solcher habe Schmidt einen Punkt völlig übersehen: das Identität stiftende Moment. Das nämlich könne ein „Kunstgebilde Nordstaat“ – dafür hatte Schmidt plädiert – nicht bieten. Bremen umso mehr. Dass der Berliner sich stets als Berliner fühlen werde, egal ob mit Brandenburg fusioniert oder nicht, ließ Böhrnsen nicht gelten – Bremen sei schließlich viel älter.
Wie bedeutend Schmidt sei, war auch das Erste, was die grüne Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert erklärte. Schmidt habe Recht, „politische Eingriffe und Finanznot haben real existierende Spielräume minimiert.“ Die missratene Sanierungspolitik der großen Koalition habe ein Übriges getan. Aber Schmidts Konsequenz – kleine Länder wie Bremen abschaffen – „würde ich nicht ziehen“, so Linnert. Stattdessen wär’s schöner, „ein Stück zurückzugewinnen von den Gestaltungsmöglichkeiten.“ Wie die SPD verwies Linnert auf die ungerechte Finanzverteilung, die auch ein Land wie Hamburg mit seinem größten Bruttoinlandsprodukt alt aussehen lasse.
Schließlich sei das Bundesland Bremen „nicht irgend‘n Luxus, sondern etwas, das in der Verfassung steht.“ Ein Nordstaat müsse nun mal vom Volke gewollt werden. Von Hamburg vielleicht, vom Hamburger Schmidt offenbar auch – aber die Verlierer werden Kiel, Hamburg und Hannover heißen. „Das Volk, das dafür stimmen soll, sehe ich nicht.“
CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff befand, er sehe die Sache „grundsätzlich anders“. Die Kleinheit Bremens biete Vorteile, „man kann schneller reagieren.“ Und überdies sei das alles ja vor allem eine wirtschaftliche Frage – „es stellt ja auch niemand Luxemburg oder Monaco in Frage.“ Für den Christdemokraten heißt das: „Wir müssen bei den Sanierungsanstrengungen noch flexibler sein und die EU-Osterweiterung als Chance begreifen.“ In den nächsten fünf bis zehn Jahren würden die Weichen für die weitere Existenz Bremens gestellt – „aber garantiert ist die nicht.“ sgi