: US-Behörden suchen Gentech-Schweine
Gentech-Labor der Universität Illinois verkaufte Versuchstiere an Händler. Vermutlich wurden sie zu Wurst verarbeitet
BERLIN taz ■ Über 300 genmanipulierte Schweine sind in den USA vermutlich illegal zu Schnitzeln, Wurst und Schinken verarbeitet worden. Die Tiere stammen aus einer gentechnischen Versuchsstation der University of Illinois in Urbana-Champaign. Der Vorfall, der erst vor wenigen Tagen bekannt wurde, wird derzeit von der US-Lebensmittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) untersucht. Nach Angaben der FDA hatten die Forscher die Auflage, alle Versuchstiere zu vernichten. Sie sollten auf gar keinen Fall in die Lebensmittelkette gelangen. Eine Gefahr für Konsumenten bestände jedoch nicht, versicherte die Behörde in einer Mitteilung.
Exakt 386 Schweine hat nach Erkenntnissen der FDA die Versuchsstation in dem Zeitraum von April 2001 bis Januar 2003 an einen Zwischenhändler verkauft. Was dann weiter mit den Tieren geschah, ist noch nicht gänzlich geklärt.
Die Verantwortlichen der Universität bestreiten den Vorfall nicht. Sie sind der Ansicht, nicht gegen Gesetze verstoßen zu haben. Denn: Nicht die genmanipulierten Tiere selbst wurden verkauft, sondern deren Nachkommen. Die von den genmanipulierten Schweinen abstammenden Ferkel wurden untersucht, ob sie die transferierten Gene geerbt hatten oder nicht. Tiere mit den neuen Genen verblieben für weitere Experimente in der Versuchsstation. Nur die Ferkel, bei denen keine Genveränderung festgestellt werden konnte, wurden zum Verkauf freigegeben.
Für die Genmanipulation seien zwei verschiedene Gene verwendet worden, gab Bill Murphy, der Universitätssprecher, bekannt: „ein Gen von einer Kuh und ein synthetisches“. Mit diesen beiden Genen, so die Hoffnung der Forscher, sollte die Milchproduktion der Muttertiere angekurbelt werden und auch die Verdauung bei den säugenden Ferkeln verbessert werden. Ein schnelleres Wachtum der Ferkel war letztendlich das Ziel.
Der Vorwurf, gegen Auflagen verstoßen zu haben, wird von der Universität abgestritten. Dort heißt es, aus den Antragsunterlagen sei ersichtlich, dass die FDA von Anfang an gewusst hätte, dass die nicht manipulierten Tiere weiterverkauft würden. Das hätten die Forscher zudem in ihren Fachveröffentlichungen auch ganz offen berichtet.
„Die Industrie und die Behörden spielen Russisches Roulette mit der Öffentlichkeit“, kritisiert Gregory Jaffe, Direktor des „Centers for Science in the Public Interest“. Auch wenn diesmal keine gesundheitlichen Schäden zu befürchten seien, „beim nächsten Mal könnte das anders sein“.
In den USA ist es der dritte größere Fall, dass Gentech-Institute oder -Firmen die Auflagen ignorierten. Vor kurzem erst mussten Lebensmittel zurückgerufen werden, weil sie mit hochwirksamen Pharmawirkstoffen aus Gentech-Pflanzen verunreinigt waren. Zwei Jahre zuvor sorgte der Gentechmais StarLink von Aventis für Aufregung. Zahlreiche Produkte mussten zurückbeordert werden, weil sie Bestandteile des nur als Futtermittel zugelassenen StarLink-Mais enthielten. 110 Millionen US-Dollar Schadenersatz werden betroffene Landwirte jetzt dafür erhalten. WOLFGANG LÖHR