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Archiv-Artikel

„Das ist mehr als ein Feuerwehreinsatz“

Die Bankenrettung ist der Beginn einer neuen Finanzordnung, sagt SPD-Finanzexperte Ortwin Runde

ORTWIN RUNDE, 64, war von 1997 bis 2001 Erster Bürgermeister Hamburgs. Der SPD-Politiker ist Mitglied im Bundestagsfinanzausschuss.

taz: Herr Runde, ist dieses Rettungspaket richtig?

Ortwin Runde: Ja. Wir haben keine Immobilienblase wie in den USA. Deshalb muss man hierzulande nicht in erster Linie wertlose Kredite absichern, sondern per Bürgschaft und durch Stärkung des Bankeneigenkapitals den Geldfluss zwischen den Banken sichern.

Viele Bürger meinen trotzdem, dass hier verantwortungslosen Bankern Geld hinterhergeworfen wird.

Richtig ist, dass die Steuerzahler das Risiko tragen. Sie müssen auch an Sanierungserfolgen beteiligt werden. Fehlt das, kann man so eine Rettungsaktion den Bürgern nicht klar machen.

Ist dies in Deutschland gegeben?

Bei den Bürgschaften für das Interbankengeschäft ist das möglich über Gebühren, die so um zwei Prozent liegen werden.

Reicht das?

Nein. Bürgschaften und Garantien müssen mit anderen Auflagen verbunden sein. Das betrifft etwa die Höhe der Gehälter für Manager und ihre Abfindungen, aber auch Einflussnahme auf die Geschäftspolitik.

Das sind Möglichkeiten, doch ob sie genutzt werden, entscheidet allein Finanzminister Peer Steinbrück. Stimmt das Parlament nicht einer Blankovollmacht zu?

Mit dem Gesetz soll Stabilität in das System gebracht und bisherigen Fehlentwicklungen in den Banken entgegengewirkt werden. Es wäre absurd, wenn der Finanzminister nicht mit harten Maßnahmen seine Möglichkeiten nutzen würde. Ich gehe davon aus, dass das Parlament über die Rechtsverordnungen noch vor der Verabschiedung des Gesetzes informiert wird.

Für das zur Verfügung gestellte Geld bekommt der Staat ja Anteile an den Unternehmen. Laut Gesetz können das aber auch Vorzugsaktien ohne Stimmrecht sein. Ist das ausreichend?

Die verschiedenen Varianten einer möglichen „Beteiligung“ an einem Geldinstitut haben einerseits mit den unterschiedlichen Rechtsformen zu tun, andererseits mit einer nötigen Flexibilität. Aber die hohe öffentliche Aufmerksamkeit wird schon sicherstellen, dass die für den Steuerbürger beste Lösung durchgesetzt wird. Wer das Geld gibt, kann damit Auflagen verbinden. Der Staat muss bei solchen Summen Einfluss haben. Wichtig ist, dass dies eben kein Feuerwehreinsatz ist, bei dem man sagt: Der Brandschutz kommt später.

Was heißt das konkret?

Das Anreizsystem für Manager, Vorstandsmitglieder und Händler muss von kurz- auf mittel- oder langfristige Erfolge umgestellt werden. Die Eigenkapitalunterlegung bei riskanten Geschäften muss größer werden. Denn so kann man Pyramidenkredite verhindern. Banken, die riskante Produkte weiterverkaufen, müssen einen Teil selbst behalten müssen. Vor allem brauchen wir Regeln auch für Zweckgesellschaften und Hedgefonds.

Wird diese Finanzkrise das Verhältnis von Politik und internationaler Finanzindustrie wirklich grundlegend ändern? Oder ist dies nur ein vorübergehendes Phänomen?

Die Hohepriester des Finanzkapitalismus haben sich als Hütchenspieler entpuppt. Es wird nach dieser Krise keine Rückkehr zum Status quo ante geben – und keine Bereiche außerhalb von Regulierung mehr. Dafür bedarf es einer globalen Finanzaufsicht, die der Internationalität der Märkte angemessen ist und Global Player kontrollieren kann. Dabei kann der IWF einiges leisten.Wir brauchen eine Architektur, die so eine Krise verunmöglicht. Das bedeutet auch, dass es die Kluft zwischen den Renditen in der Finanz- und der Realwirtschaft der letzten Jahren nicht mehr geben wird.

Reicht die Rettung des Banksystems – oder muss der Staat auch gegen die Rezession etwas tun?

Die Trennung zwischen Finanz- und Realwirtschaft ist künstlich. Ich glaube nicht, dass die EU und Deutschland die Rezession ignorieren können.

Angela Merkel sagt: Es gibt kein Konjunkturprogramm.

Das halte ich für falsch. Wir brauchen, wie im Finanzwesen, rechtzeitig ein international abgestimmtes Programm zur Stabilisierung der Märkte. Die große Koalition hat doch mit der Förderung energieeffizienter Häuser schon die richtige Richtung gewiesen. Man kann Krisenbewältigung und Ökologie sinnvoll verbinden.

INTERVIEW: STEFAN REINECKE