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Archiv-Artikel

american pie Eishockeystürmer Brett Hull erzielt 700. NHL-Tor

Mit dem Namen des Vaters

Am Montag schaffte Brett Hull endlich sein 700. Tor in der NHL, eine Marke, die vor ihm lediglich fünf Spieler erreichten, welche solch klangvolle Eishockeynamen trugen wie: Wayne Gretzky (am Karriereende bei 894 Treffern angekommen), Gordie Howe (801), Marcel Dionne (731), Phil Esposito (717) und Mike Gartner (708). Das kleine Problem für den 38-jährigen Hull: An Daddy kommt er trotzdem nicht vorbei. Bobby Hull hatte es zwar bloß auf 610 Tore gebracht, doch gilt der Kanadier nach wie vor zusammen mit Gretzky und Howe als einer der drei größten Eishockeyspieler aller Zeiten.

Sein Leben lang hat Brett Hull im Schatten seines Vaters gestanden, selbst sein erster Ehrenname „The Golden Brett“ war an Big Daddy orientiert, den man „The Golden Jet“ nannte – wegen seiner Schnelligkeit und seiner strohblonden Haare, beides großzügigerweise an den Sprössling vererbt. Manch einer wäre verzweifelt, doch Brett Hull hat sich zeitig mit der väterlichen Übermacht arrangiert. „Ich habe sehr früh gewusst, dass ich nie wie er sein würde“, sagt er, „also habe ich es gar nicht versucht.“

Dieselbe entspannte Haltung zeichnete Hull während seiner gesamten Karriere aus. „Ich habe immer mehr auf die Energie des Kopfes gesetzt als auf die des Körpers“, verrät der als gutmütig bekannte Eishockeyprofi, der stolz darauf ist, nie in eine Schlägerei verwickelt gewesen zu sein – kleinere Scharmützel auf dem Eis mal ausgenommen. Bei Olympia in Nagano 1998 ließ er sich als Erstes einen Zettel auf Japanisch mit der Adresse des nächsten Indoor-Golfplatzes erstellen, den er dem Taxifahrer vorzeigen konnte. Und als anonym gebliebene US-Cracks nach dem frühen Aus ihre Zimmer im olympischen Dorf demolierten, kam niemand auf die Idee, dass Hull dabei gewesen sein könnte.

In jungen Jahren ging er sogar etwas zu locker vor. „Mit der Figur eines Pandabären“ (Sports Illustrated) schlurfte er über das Eis, verließ sich ganz auf seinen knallharten Schuss („Hat mir Dad beigebracht“), mochte nicht trainieren und ging lieber mit den Kumpels Bier trinken. Als ihn kein Juniorenteam haben wollte, hörte er sogar mit dem Eishockey auf, besann sich dann aber eines Besseren. Bald schoss er massenhaft Tore für die University of Minnesota-Duluth und landete schließlich 1985 in der NHL bei den Calgary Flames. Die ließen ihn wegen seiner Defensivschwäche meist auf der Bank, erst bei den St. Louis Blues, wo ihn Coach Brian Sutter die uneingeschränkte Lizenz zum Toreschießen erteilte, anstatt ihn zum bodycheckenden Abwehrcrack ummodeln zu wollen, blühte er auf. Bald hatte er seinen ersten „eigenen“ Spitznamen weg: „The Incredible Hull“.

In Chicago aufgewachsen, besaß Brett Hull die doppelte Staatsbürgerschaft, doch weil ihn das kanadische Nationalteam zunächst verschmähte, spielt er seither im US-Team. Für die Popularisierung des Eishockey in den USA war der redegewandte und von den Fans vergötterte Blondschopf der reinste Segen. Auf den höchsten aller Preise, den Stanley Cup, musste Brett Hull allerdings bis ins hohe Eishockeyalter warten. Obwohl er bei den Blues sogar eine Weile in einer Sturmreihe mit Gretzky spielte, kam St. Louis nie in die Reichweite des Titels.

Erst mit den Dallas Stars holte er 1999 die Trophäe, welche sein Vater 1961 mit den Chicago Blackhawks gewonnen hatte, und schoss natürlich, trotz eines Leistenbruchs, in der zweiten Verlängerung das entscheidende Tor gegen Buffalo. „Er spielte nur auf einem Bein und humpelte vors Tor“, staunte Coach Ken Hitchcock, nachdem Hull den tschechischen Wundertorwart Dominik Hasek überlupft hatte.

Mit den Detroit Red Wings holte Brett Hull im letzten Jahr seinen zweiten Stanley Cup, diese Saison hat er bisher 21 Tore, musste auf das letzte, die Nr. 700, jedoch sieben Spiele warten. Schafft er 35 Treffer, verlängert sich sein Vertrag um ein Jahr. Wenn nicht, kann er gehen, wohin er will. An Angeboten wird es gewiss nicht fehlen.

MATTI LIESKE