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Archiv-Artikel

Mehr HIV-Infizierte, falsche Prävention

Die Zahl der Aidskranken in Bremen ist leicht gestiegen, Experten kritisieren Präventionsansatz

Als „schwierig“ bezeichnet der Senat die soziale Situation von Aidskranken in Bremen. Probleme mit „ökonomischen Druck und unzureichender Tagesstruktur“ hätten zwar die meisten chronisch Kranken, die mit wenig Geld auskommen müssten, so der Senat in einer Antwort auf eine Anfrage der Fraktion „Die Linke“. Für Aidskranke beziehungsweise HIV-Positive habe sich aber die Situation in den letzten Jahren wegen der verbesserten Behandlungsmöglichkeiten verschärft. Die PatientInnen würden heute länger leben bei „relativ stabiler Gesundheit“, so der Senat. Die Folge: „Das Zeitfenster vergrößert sich, in dem die Kranken mit relativ geringem Einkommen leben müssen.“

Ein solcher Satz sei nicht zynisch, sondern Realität, sagt Thomas Fenkl von der Aidshilfe Bremen, die seit 2003 keine öffentlichen Mittel mehr bekommt. Viele Betroffene hätten sich sehr jung angesteckt, deshalb hätten sie kaum Rücklagen noch ausreichend Ansprüche aus den Sozialversicherungen erworben.

Fenkl kritisierte, dass der Senat kein Urteil über Privatversicherungen fällte, die HIV-Infizierte nicht aufnehmen. In der Antwort auf eine entsprechende Frage der Linksfraktion heißt es nur, die privaten Versicherungen seien ab nächstem Jahr gezwungen, alle Antragsteller in einem Basistarif aufzunehmen.

Als veraltet bewertet Fenkl die Präventionsangebote. Diese seien an Zielgruppen gerichtet, die heute nicht mehr bestünden. Früher habe man gezielt Schwule ansprechen können. Diese seien aber in anderen Szenen aufgegangen und würden dort nicht erreicht. „Die jungen Menschen sehen sich nicht als Schwule“, sagt Fenkl. Außerdem müsste es mehr Angebote für Migranten geben, die sich ebenfalls nicht als homosexuell begreifen.

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) sind in Bremen 700 Männer und 200 Frauen mit dem Virus infiziert. Fenkl hält diese Zahl für zu niedrig, er schätzt, dass mehr als doppelt so viele BremerInnen betroffen sind. Seit dem erstmaligen Auftreten der Krankheit 1982 sind laut RKI in Bremen 125 Menschen an Aids gestorben.

Ascan Dieffenbach