: Kein Gratis-Spot für amnesty
Die spanische Regierung erkennt einen Fernsehspot der Menschenrechtsorganisation über Misshandlungen von Einwanderern nicht als gemeinnützig an. Das Video wird deswegen im Fernsehen nicht zu sehen sein. Spaniens ai-Chef Beltrán ist empört
aus Madrid REINER WANDLER
Der Vorwurf von Estebán Beltrán wiegt schwer: „Die spanische Regierung tut alles nur Mögliche, damit die Öffentlichkeit nicht von den systematischen Misshandlungen von Einwanderern erfährt“, beschwert sich der Direktor der spanischen Sektion von amnesty international (ai). Das Wissenschaftsministerium hat einen Antrag der Menschenrechtsorganisation, Fernsehspots zum Thema kostenlos ausstrahlen zu dürfen, negativ beschieden.
„Das ist einmalig in unserer 25-jährigen Geschichte“, erklärt Beltrán. Erst habe die zuständige Stelle den Antrag monatelang verschleppt. „Nicht gemeinnützig“, hieß es dann schließlich im Bescheid. Will ai den Spot dennoch senden, müsste die Organisation dafür bezahlen. Was den ai-Sprecher am meisten verwundert: Mehrere Regionalregierungen haben dem Spot die Gemeinnützigkeit zuerkannt. In Regionalanstalten kann er deshalb kostenlos ausgestrahlt werden.
321 Fälle von Misshandlungen von Einwanderern in sechs Jahren zählt das letzte Dossier von ai. Vergewaltigungen, Schläge, Entführungen und Aussetzungen in menschenleeren Gegenden – die Opfer aus 17 verschiedenen Ländern haben in den Händen der Polizei alles erlebt. Einige der Opfer sollten jetzt in den Spots zu Wort kommen. Da dies im Fernsehen nicht möglich ist, zeigt ai die Videos seit gestern im Internet (http://www.ponteensupiel.org). Dort finden sich auch ausführliche Beschreibungen einzelner Fälle und ein Protestbrief an die Regierung.
„Die Entscheidung über unseren Spot liegt voll auf der Linie der bisherigen Regierungspolitik“, sagt Beltrán. So hat ai in den letzten Jahren die Regierung immer wieder dazu aufgefordert, gegen die Übergriffe auf Immigranten vorzugehen. Vergebens.
„Misshandlungen von Immigranten gibt es auch in anderen europäischen Ländern“, weiß Beltrán. Doch in Spanien gestehe die Regierung das Problem nicht einmal ein. In den wenigen Fällen, in denen Polizeibeamte ihre rassistischen Kollegen anzeigten, drohte nicht etwa den Misshandlern Strafe, sondern denjenigen, die nicht länger zuschauen wollten. Sie wurden oft in andere Wachen zwangsversetzt.
Nicht nur ai beschwert sich über den Umgang mit Ausländern. Auch Human Rights Watch und das UN-Komitee gegen Folter und Misshandlungen widmeten im vergangenen Jahr Spanien ausführliche Berichte. An der Regierungspolitik hat sich dennoch nichts geändert. „Ich muss zugeben, dass es einige wenige Fälle gibt. Doch ai malt das Bild eines total verkommenen Landes an die Wand. Und das stimmt einfach nicht“, lautet die einzige Reaktion von Innenminister Mariano Rajoy zum Thema. Beltrán wurde bis heute nicht im Ministerium empfangen.