: Stabilitätspakt dem Krieg opfern
EU denkt über „angemessene Maßnahmen“ im Falle eines Krieges nach, um den drohenden Konjunkturknick abzuwenden. Eichel will jedoch an Konsolidierungskurs festhalten. Ob die Höchstgrenze für die Neuverschuldung eingehalten wird, ist unklar
von HANNES KOCH
Politiker und Ökonomen bereiten sich auf zunehmende wirtschaftliche Probleme in diesem Jahr vor. „Wir rechnen mit weniger als einem Prozent Wachstum“, sagte Bundesbankpräsident Ernst Welteke in einer Rede am Montagabend. Damit stellte Welteke die Prognose der rot-grünen Bundesregierung in Frage, die ein Prozent Zunahme des Bruttoinlandprodukts (BIP) zugrunde legt. Parallel dazu berät das Bundesfinanzministerium mit den wichtigen Industriestaaten der G-7-Gruppe über ein Investitionsprogramm, mit dem die Regierungen im Falle eines Krieges gegen den Irak die negative Konjunkturentwickung auffangen könnten.
Bundesbankpräsident Welteke betrachtet die „schwache konjunkturelle Lage in erster Linie als Ausdruck eines mangelnden Vertrauens, das auch weltpolitisch begründet werden kann“. Als negative Faktoren nannte Welteke vor allem den drohenden Irakkrieg, den hohen Ölpreis und die niedrigen Aktienkurse, die den Firmen den Zugriff auf Kapital erschwerten.
Die Bundesbank reiht sich damit unter diejenigen Ökonomen ein, die, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, die Prognose der Bundesregierung bezweifeln. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hatte in seinem Jahreswirtschaftsbericht dagegen erst jüngst ein Prozent Wachstum als realistisch bezeichnet. Auf dieser Zahl beruht die Planung für die Senkung der Nettoneuverschuldung und die Einhaltung des Maastricht-Vertrages in diesem Jahr. Weniger Wachstum führt hingegen zu geringeren Einnahmen und damit zu einem höheren Haushaltsdefizit.
Nicht nur die Rede des Bundesbankpräsidenten deutet darauf hin, dass die Schuldengrenze von drei Prozent des BIP wie schon 2002 auch in 2003 überschritten werden könnte. Das Bundesfinanzministerium verhandelt mit den Staaten der G-7-Gruppe offenbar über eine Reaktion auf einen möglichen Irakkrieg. Zur Diskussion steht zum Beispiel ein koordiniertes Investitionsprogramm, das die Wirtschaft mit staatlichen Mitteln unterstützt, falls die Konjunktur kriegsbedingt weiter nachlässt. Ein derartiges Programm würde Geld kosten und könnte dazu Anlass geben, den Maastricht-Pakt in diesem Jahr flexibler zu handhaben.
Die EU-Kommission werde im Falle eines Irakkrieges mit Blick auf den europäischen Stabilitätspakt „angemessene Maßnahmen“ ergreifen, sagte ein Kommissionssprecher gestern in Brüssel. Die G-7-Gruppe tagt in der nächsten Woche in Paris.
„Es geht um ein Gegensteuern aus europäischer Sicht“, erklärte SPD-Finanzexperte Hans-Joachim Poss. Die europäischen Regierungen würden sich „auf die Entwicklungen einstellen“, so Poss.
Bundesfinanzminister Hans Eichel ließ gestern dementieren, dass daran gedacht werde, den EU-Stabilitätspakt vorübergehend außer Kraft zu setzen. „Es gibt kein spezielles Kriegsszenario“, sagte eine Sprecherin. Der Konsolidierungskurs werde nicht außer Kraft gesetzt.