: Frau für jede Tonart
Katja Riemann singt in den Kammerspielen: Eine melancholische Melange aus Jazz und Riemann
Oh Gott, jetzt singt die Riemann auch noch. Leider ist Katja Riemann immer da, wo der Trend ist: Das war schon so, als die Deutschen in den 90er Jahren im Kino ihren Sinn für eine Unterart des Humors entdeckten. Und das ist jetzt wieder so, da immer mehr Darsteller, die man aus Kino und Fernsehen kennt, sich singend auf den Bühnen dieses Landes verwirklichen wollen. Dabei ist Katja Riemann anders. Denn als sie jetzt in den Kammerspielen zum ersten Mal mit ihrem Oktett auf einer Theaterbühne stand, da hauchte sie eben nicht Brecht, Weill und Brel, sondern sang überwiegend eigene Stücke. Mit Cello, Klavier, Trompete, Schlagzeug, Gitarren, Kontrabass und Gesang brachten die acht MusikerInnen das Publikum zu verzücktem Endlos-Applaus.
Denn Katja Riemann ist viel mehr als „abgeschminkt“ und „eine bewegte Frau“. Sie ist tatsächlich eine Frau für jede Tonart. Alle erwarten Chansons von ihr. Und sie singt auch den einen oder anderen. Hauptsächlich aber bedient sie sich im Jazz, im Pop, zitiert aber auch mal afrikanische oder karibische Klänge.
Es dauert keine drei Lieder, da hat Katja Riemann das Publikum auf ihrer Seite. „Musik ist flüssiges Glück“, sagt sie und gibt mit ihren Liedern „der Melancholie ein glamouröses Kleid“, wie sie es selbst einmal gesagt hat. Katja Riemann, die übrigens Musikerin war, lange bevor sie Schauspielerin wurde, und die die Musik zum Film bandits selbst geschrieben hat, vermittelt Einblicke in eine düstere Seele. Sie singt von Einsamkeit, Schmerz und der Suche. Aber sie erzählt auch, was sie mag: Stille zum Lesen, Rosen, die duften und Ringe an Daumen. „Careless Love“ und „Blue Moon“ sind Lieder vom großen Bruder Jochen Riemann und zwei von vielen Höhepunkten des Abends. Aber auch neu interpretierte Favourites wie „Winter“ von Tori Amos sowie „After you killed me“, ein Lied von SchauspielerInnen-Kollegin Jasmin Tabatabai.
Da zeigt sich eine ganz neue Katja Riemann beziehungsweise eine ganz alte, aber selten gesehene. Eine, die eine phantastische Stimme hat, irgendwie auch im rot-schwarzen Glitzerkleid durchgeht, die verletzlich wirkt und manchmal ihren eigenen Worten nachhängt, wenn sie gewichtigen Inhalts sind. Wenn sie den US-Präsidenten George Bush als den „Schatten“ bezeichnet, „der auf unserer Welt liegt“ und aus Kindern Menschen machen will, „die es vielleicht besser hinkriegen als wir“, dann wirkt sie, als wäre ihr peinlich, was sie gerade gesagt hat. Das macht sie sympathisch und vielschichtig. Und wenn sie ihren Trompeter Michael Merkelbach ansieht, als lausche sie seinem Spiel zum ersten Mal, dann ist Musik tatsächlich „flüssiges Glück“. Am Ende ruft eine Frau „danke für den schönen Abend“. Katja Riemann ist gerührt: „Danke für den schönen Abend.“ Sandra Wilsdorf