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Glück ab

Kapitalismus in China: „Mang Jing“ von Li Yang im Forum erzählt von Minenarbeitern, die das schnelle Geld suchen

Das Licht schmilzt auf einen schmalen weißen Streifen zusammen, als die Kamera den Stollen hinabfährt. 700 Meter unter Tage findet in „Mang Jin“, dem ersten Spielfilm des chinesischen Regisseurs Li Yang, das Leben statt. Es folgt allein den Gesetzen des Marktes: Wer in einer der vielen illegalen Minen im Norden des Landes arbeitet, kann im Monat 1.000 Yuan machen, das ist das Vielfache dessen, was ein Bauer hat.

Song (Li Yixiang) und Tang (Wang Shuangbo) haben einen Weg gefunden, wie sie beim Bergbau auf noch mehr Geld kommen können. Im Dunkel der Mine erschlagen sie einen Kumpel, täuschen den Tod als Unfall vor und erpressen ihren Chef wegen der schlechten Sicherheitsbedingungen. Das bringt am Ende 30.000 Yuan, ungefähr 3.300 Euro. Reich werden sie mit dem bisschen Schweigegeld nicht, also müssen sie häufiger töten. Und auch die Minenbesitzer haben sich längst damit abgefunden, dass jährlich 8.000 Bergarbeiter sterben: „In China gibt es von allem zu wenig, nur nicht von Menschen“, sagt der Boss der nächsten Zeche, als die beiden wieder auf Jobsuche sind.

Zynisch und fremd sind diese Ausgeburten des neu entdeckten Kapitalismus in der Volksrepublik. Doch Li Yang will mit seiner Verfilmung eines Romans von Liu Qinbing, der für das genau recherchierte Buch in seinem Land Literaturpreise gewonnen hat, nicht bloß das gestörte Verhältnis der Chinesen zum Geld beklagen. Weit irritierender findet er die Selbstaufgabe seiner Landsleute, die mit dem Kapitalismus einhergeht.

Nachdem Li Yang einige Zeit an der Medienhochschule in Köln studiert hatte, war er bei seiner Rückkehr darüber erschrocken, wie viele junge Chinesen die Möglichkeiten einer guten Ausbildung aufgeben, um schneller Geld verdienen zu können. Doch das Gros der Jugendlichen kann sich ohnehin keine weiterführende Schule leisten. Einer von ihnen ist der sechzehnjährige Yuan Fengming, den Song und Tang auf der Straße aufgelesen haben. Er soll ihr nächstes Opfer werden, deshalb wird er von ihnen väterlich umsorgt, damit nicht schon vorher etwas schief geht. Song entwickelt zu dem schüchternen Teenager so viel Zuneigung, dass er ihm eine Prostituierte besorgt. Danach schämt sich der Junge wegen der schmutzigen Dinge, die er mit der Frau getan hat. Auch beim Trinken will er nicht mitmachen, lieber schickt er das verdiente Geld seiner Schwester für ihre Ausbildung.

Das klingt sehr nach einem rührseligen Märchen, ist im Film jedoch nüchtern erzählt – auch weil Li Yang die großen Emotionen aus Hollywoodfilmen vermeiden wollte. Stets bleibt der Junge verstockt, dauernd stehen die beiden anderen rauchend herum und können sich nicht entscheiden, wann er endlich umgebracht werden soll. Einmal wird es trotzdem lustig. Im Bordell wünscht Tang sich ein altes sozialistisches Lied, dessen Text den Zeiten angepasst wurde. Der früher reaktionäre Feind USA ist jetzt ein willkommener Gast, der Dollars mitbringt. Das ist „der Höhepunkt des Sozialismus“, singt eine der Huren und lacht.

HARALD FRICKE

Heute, 15 Uhr und 18.30 Uhr, Royal Palast, 22.30 Uhr International

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