: Türken gegen faulen Konsens
Türkische Gemeinde will lieber kein Zuwanderungsgesetz als eines nach dem Geschmack der Union. Heftige Kritik an den 121 Änderungsanträgen im Bundesrat
BERLIN taz ■ Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) hat sich dafür ausgesprochen, auf ein Zuwanderungsgesetz zu verzichten, falls die Vorschläge der CDU/CSU in das Gesetz einfließen sollten. „Die Unionsparteien und ihre Spitzenpolitiker schieben immer wieder restriktive Details nach, die von tagespolitischen Populismus bestimmt sind“, sagten die stellvertretenden TGD-Bundesvorsitzenden, Alisan Genc und Kenan Kolat, gestern in Berlin. Anlass ihrer Kritik: Der Bundesrat wird morgen voraussichtlich mit der Mehrheit der unionsregierten Länder bis zu 121 Änderungsanträge verabschieden.
Bevor die Immigration durch eine solche Gesetzgebung eingeschränkt werde, sei es sinnvoller, das Ausländergesetz nur um einige Paragrafen zu erweitern und ein Integrationsgesetz auszuarbeiten, sagte Kolat. Dies sei auch ohne Zustimmung des Bundesrates möglich. Die Vorschläge der Union „vergiften das integrationspolitische Klima in Deutschland“, sagte Genc.
Besonders die Forderung, das vor drei Jahren reformierte Staatsbürgerschaftsrecht zu verschärfen, stößt bei der TGD auf Ablehnung. Demnach sollen Kinder ausländischer Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft nicht mehr nach dem Geburtsortprinzip erhalten, sondern nur dann, wenn ein Elternteil in Deutschland geboren ist. Genc und Kolat bezeichneten dies als eine „Rückkehr zum mittelalterlichen Staatsbürgerschaftsverständnis“. Nach der jetzigen Rechtslage können Kinder ausländischer Eltern den deutschen Pass bekommen, wenn ein Elternteil seit mindestens drei Jahren über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis verfügt.
„Dieser Entwurf ist eine Fundgrube für böse Überraschungen“, sagte Genc zu den Unionsvorschlägen. Nicht nur die geplante Absenkung des Nachzugalters für Kinder auf 10 Jahre sei diskriminierend, so Kolat. Den Plan, ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für nachgezogene Ehegatten erst nach 4 statt wie bisher nach 2 Jahren zu gewähren, bezeichnete er als „Aushöhlung der Rechte insbesondere ausländischer Ehefrauen“.
„Die multikulturelle Öffnung ist eine langfristige Angelegenheit“, so Genc. Deutschland sei wirtschaftlich und gesellschaftlich auf diese Öffnung angewiesen. Mit ihrem Kurs handle die Union „gegen die Zukunft dieses Landes“. PHILIPP DUDEK