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Archiv-Artikel

daily dope (329)

Noch lächelt er in seinem rot gepunkteten Trikot in ganz Wien von Plakaten, die für eine Fitness-Woche Ende Oktober werben. Im wirklichen Leben ist er ein Häufchen Elend. Als Bernhard Kohl Mittwochabend auf einer Pressekonferenz am Wiener Flughafen sein Dopingvergehen gestand, brach er wiederholt in Tränen aus.

Der 26-Jährige hatte als Bergkönig und Gesamtdritter der Tour der France die Sportwelt begeistert. Österreichs Sportjournalisten führten ihn als sicheren Kandidaten für den „Sportler des Jahres“. Bernhard Kohl galt als Beispiel, dass man es im Radsport auch ohne Doping zu etwas bringen kann. „Ich bin der Versuchung erlegen, weil der auf mir lastende Erfolgsdruck unglaublich groß geworden ist. Ich bin nur ein Mensch und wie viele Menschen in einer Ausnahmesituation schwach geworden“, sagte er. So erklärte er gegenüber dem ORF seinen Fehltritt. Bei seinem Team Gerolsteiner sei aber nicht systematisch gedopt worden, obwohl auch sein Zimmerkollege Stefan Schumacher ertappt worden ist.

Nach einem Sturz bei der Dauphiné Libéré in Frankreich habe er sich nicht fit genug für die Tour de France gefühlt. „Nach meinem insgesamt sechsten Sturz war ich am Boden.“ Er habe das Blutdopingmittel vier Wochen vor und kurz vor Beginn der Tour eingenommen. Erstmalig und einmalig, wie er beteuerte. Er sei der Meinung gewesen, dass Epo (Cera), das vor wenigen Tagen in seinen Blutproben nachgewiesen wurde, von den Dopingkontrolleuren nicht entdeckt werden könne. Auf die Öffnung der B-Probe verzichtet er nun. Zerknirscht appellierte er an „die Öffentlichkeit, den Riesenfehler, „den was ich da gemacht hab, mir zu verzeihen“.

ÖRV-Präsident Otto Flum, der beim Pressegespräch an der Seite des gefallenen Stars saß, zeigte sich nachsichtig: „Ich bin froh, dass Bernhard diesen Schritt gemacht hat, nicht zaudert, sondern seine Schuld offen eingesteht. Das Verfahren wird nun umgehend eröffnet, wir werden keinen Weg von unserem rigorosen Kurs abweichen.“

Bernhard Kohl droht eine Sperre von zwei Jahren. Der Vertrag mit dem neuen Sponsor Silence-Lotto, der dem Shootingstar ein kleines Vermögen eingebracht hätte, ist hinfällig. Das Sportgerichtsverfahren obliegt der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada), die letztes Jahr gegründet wurde. Da der Überführte voll geständig ist, dürfte das Urteil noch relativ mild ausfallen. Kohl hat außerdem angekündigt, er werde die Hintermänner, die ihm die verbotene Substanz verkauft und schmackhaft gemacht haben, auffliegen lassen: „Ich werde mein Teil dazu beitragen, dass der Sport sauberer wird.“ RALF LEONHARD