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Archiv-Artikel

Nur nicht linker Mainstream

Die radikale Linke und der Irakkonflikt. Auf einer Podiumsdiskussion sind sich Antideutsche und Old-School-Marxisten einig: Bloß nichts mit dieser „deutschnationalen Friedensbewegung“ zu tun haben

„Die deutsche Friedensbewegung ist eine Verbündete von Hussein“ Linke wissen: „Demokratie passt nicht in Gebiete, wo Mangel herrscht“

von ROBIN ALEXANDER

Es gibt ein T-Shirt, auf dem trägt die Comicfigur „das kleine Arschloch“ ein Schild mit der Aufschrift „Kleinste radikale Minderheit“ und guckt dazu grimmig. Dies ist in etwa das Bild, das junge Leute in diesem Land von der radikalen Linken haben. Zur linksradikalen Wochenzeitung Jungle World passt es nicht. Dort gibt es bunte Cover, kurze, feine und lange, kluge Texte, Popkultur und Comics. Dort ist man nett zu den Lesern, und die sind auch nett: Rastas und Jackettträger nebeneinander, viele junge Frauen. Fast 250 Leute drängen sich am Donnerstagabend im Roten Salon der Volksbühne zum „Kriegsrat – Die Linke und der Irakkonflikt“, zu dem die Zeitung einlud.

Sogar eine Kamera mit einem ZDF-Aufkleber filmt: Die Medien interessieren sich am Vorabend der großen Friedensdemonstration für eine junge, ihnen rätselhafte Subkultur in der Berliner Linken, die so genannten Antideutschen, die als Pro-Kriegs-Linke wahrgenommen wird. Diese Leute wirken vor allem an Provokation interessiert, wenn sie etwa als „Kommando Sir Arthur Harris“, im Namen des englischen Luftwaffenchefs aus dem Zweiten Weltkrieg, die Pressekonferenz der Friedensbewegung stören. Aber sie haben auch Argumente. Neben anderen breitet Thomas Uwer, Autor des Buchs „Saddams letztes Gefecht“, sie wöchentlich in besagter Jungle World aus und trägt sie an diesem Abend vom Podium aus vor. Kernthese: Nach dem 11. September haben die USA ihre Nahostpolitik geändert und wollen nun demokratische Regime etablieren. Damit fallen ihre Interessen mit denen des irakischen Volks zusammen, das sich laut Uwer nicht sehnlicher wünscht, als die Herrschaft von Saddam Husseins Baath-Partei loszuwerden. Also „wird der Krieg den Krieg des Regimes gegen die Bevölkerung beenden.“ Uwer: „Die internationalistische Linke war immer dafür, allen reaktionären Regimen den Kampf anzusagen.“ Wer sich für den Frieden einsetzt, steht deshalb auf der falschen Seite: „Die deutsche Friedensbewegung ist eine objektive Verbündete von Saddam Hussein.“

Seltsamerweise haben die Veranstalter niemanden von der Friedensbewegung als Kontrahenten eingeladen, sondern Thomas Ebermann, Vortragsreisender in Sachen Politik und Satire, früher Grüner, noch früher Kommunistischer Bund. Ebermann polarisiert, hat Fans und Feinde, dabei bietet er eigentlich nur okayen Old-School-Marxismus. Zu Uwers Traum vom demokratischen Nahen Osten meint er skeptisch: „Demokratie ist eine effektive, aber teure Form der Klassenherrschaft. Sie passt nicht in Gebiete, wo Mangel herrscht.“ Das sei für Linke immer selbstverständlich gewesen, „bis sie Freunde der Zivilgesellschaft, also blöde wurden“. Ebermann erzielt Lacher, wenn er die grüne Kriegsargumentation hochnimmt („wer in Afghanistan die Frauenbefreiung in Person des Generals Dostum kommen sah“). Er nennt Uwer und Konsorten „linke Spürpanzer“, da sie nur „nachvollziehen“, was das Pentagon auf die Agenda setzt, aktuell eben den Irak.

„Hast du keine Angst, damit zum Mainstream der Friedensbewegung zu gehören?“, fragt der Moderator und enthüllt damit das heimliche Motto der Veranstaltung. Dabei denkt weder Uwer noch Ebermann so autonom, wie sie sich gerieren: Streicht man das linke Vokabular („Akkumulation“, „Ölrente“, „imperialistische Konkurrenz“), gibt es durchaus Anknüpfungspunkte an Mainstreamdiskurse. Ebermann findet sein Weltbild in den Leitartikeln der FAZ bestätigt, die wie er die Kategorie des nationalen Interesses verhandeln und nicht an die Macht der Finanzmärkte glauben. Uwer dagegen schließt an amerikanische Intellektuelle an, die von einer Welt der market-based democracies träumen.

Distinktionsgewinn durch Radikalismus erzielen dennoch beide – auf dieselbe Weise: Sie geben sich klüger als die „deutschnationale Friedensbewegung“ und „die Antisemiten von Attac“. Uwer versteht sich nicht als Kriegsgegner, Ebermann schon: „Ziel ist, einen Teil der Kriegsgegner abzuspalten von Schröder und von den Antisemiten. Das kann man nur, wenn man aus der Position des Kriegsgegners argumentiert.“ Diesen Teil der Kriegsgegner, der eventuell zur Einsicht fähig sein könnte, beziffert Ebermann auf „vielleicht 3.000 von 150.000, die Samstag demonstrieren“. Da ist sie, die kleinste, radikale Minderheit.