: Trockene Erde
Der Sprachforscher Storfer erforschte in den Dreißigerjahren, wie die fünf Kontinente zu ihrem Namen kamen. Heute: der afrikanische Kontinent
von ADOLF JOSEF STORFER
Die verschiedenen Deutungen des Erdteilnamens Afrika bewegen sich fast ausschließlich auf semitischem Sprachboden. Wir erwähnen
a) die Ableitung aus dem hebräischen Männernamen Epher;
b) die Ableitung aus dem hebräischen Männernamen Ophir;
c) die Ableitung aus dem Namen des Landes Ophir, aus dem König Salomon zu Schiff Gold und Edelsteine, Pfauen und Affen bezog, das man aber heute nicht nur in Afrika, sondern auch in Südarabien, Ostindien und an verschiedenen anderen Stellen Asiens sucht.
d) Eine andere Deutung denkt an hebräisch afar = trockene Erde, Staub.
e) Als Kuriosum sei die Ableitung von „Afrika“ aus arabisch feriq = Divisionsgeneral angeführt.
f) Eine Etymologie von Afrika, die nicht auf semitische Wortwurzeln zurückgeht, sondern auf indogermanische, aber nur als Wortwitz gewertet werden kann, findet sich in der Diderot-d’Alembert’schen Enzyklopädie, wo französisch afrique in a-phrike zerlegt wird und bedeuten soll: kältelos, Land ohne Kälte.
Dass im Namen „Afrika“ semitische Sprachelemente stecken, kann als wahrscheinlich gelten, denn das Gebiet, das die Römer zunächst als Afrika bezeichneten, war tatsächlich ein semitisches. Das am Libanon beheimatete Seefahrervolk der Phönizier gründete im Altertum an vielen Küsten des Mittelmeeres Handelskolonien. In Nordafrika entwickelte sich aus den phönizischen Siedlungen um den Kern von Karthago das mächtige punische Reich. Mit diesen Puniern (in Erinnerung an die eigentliche phönizische Heimat am Libanon nannten sich die punischen Bauern noch zur Zeit des heiligen Augustinus Kanaaniter) kamen dann vom 5. Jh. v. Chr. an die Römer in Berührung. Als die aus dem Zusammenprall der beiden Großmächte schließlich als Sieger hervorgegangenen Römer die erste Provinz in Nordafrika, nördlich der großen Syrte, errichteten, nannten sie diese nach den Afarika oder Awrighas, einem dort ansässigen – und wie auch die sonstige Bevölkerung des engeren karthagischen Gebietes wohl semitischen – Volksstamms: Africa. Dann dehnten sie diese Bezeichnung auf alle Länder der nördlichen Küste westlich von Ägypten aus. Ägypten selbst und Äthiopien zählten noch nicht zu Afrika. Die Griechen andererseits, denen Nordostafrika näher lag, hatten für diesen Teil die umfassende Bezeichnung „Libye“, nach dem Volke der Libu oder Rbu in Cyrene, dem ersten Stamme, den sie dort kennen lernten. Auf dem Gebiete des heutigen Tripolitaniens und der Cyrenaika überschnitten sich die Bezeichnungen „Africa“ (der Römer) und „Libye“ (der Griechen). Während aber „Libyen“, die bei den Griechen übliche Bezeichnung für den Erdteil Afrika, schließlich nur noch in eingeschränkter Bedeutung bestehen blieb, heute nur noch als Bezeichnung für den italienischen Kolonialbesitz in Nordafrika, hat sich die römische Bezeichnung „Africa“ für den ganzen Erdteil durchgesetzt. Dessen ganzer Umfang ist den abendländischen Völkern allerdings erst später bekannt geworden mit den Portugiesen, die ihn als die Ersten umschifften.
aus: A. J. Storfer: „Im Dickicht der Sprache“. Verlag Vorwerk 8, Berlin 2000 (Erstausgabe 1937; gekürzt)