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Archiv-Artikel

berliner szenen Dosenpfand

In der Oranienstraße

Kurz nach der Einführung der „Bepfandung“ besuche ich einen türkischen Lebensmittelladen in der Oranienstraße. Nach mir betritt ein Fünfzigjähriger den Laden. Er ist, das sehe ich gleich, eingefleischter Kreuzberger. „Hallo Ismail, wie geht’s?“, begrüßt er den ausländischen Mitbürger. Die beiden kennen sich.

„Sag mal, Ismael, ist mein Wasser da?“ Ismael wird verlegen: „Nein, ist nicht geliefert worden.“ – „Also wirklich, ich warte jetzt schon seit 10 Tagen auf mein Wasser.“ Ismael schämt sich, er sieht einen treuen Kunden verärgert. „Nimmst du einfach anderes Wasser, gebe ich dir für gleichen Preis.“ Die Freundschaft ist wiederhergestellt, der Mann nimmt sich einen Sechserpack Wasser in Plastikflaschen. Ismael setzt nach „Weißt du, ist wegen Dosenpfand, Großhändler können nicht liefern.“ – „Ja, den Mist hat uns Trittin eingebrockt. Scheißstaat.“ Der Mann mit dem Wasser wendet sich an mich: „Ich nenne den ja nur noch ‚Tritt ihn‘.“ Er wartet auf meine Reaktion. „Das Dosenpfand wurde von der CDU-Regierung beschlossen“, sage ich. „Na, du weißt ja wohl Bescheid.“ Der Mann ist beleidigt. „Immer wird der kleine Mann geschröpft, so sieht’s doch aus.“ – „Trink einfach Wasser aus der Leitung, das kostet nichts. Kein Mensch braucht in Berlin Wasser aus Flaschen.“ – „Das schmeckt mir aber nicht.“ – „Ach, du bist doch nur ein verwöhnter Bengel“, entgegne ich. Doch er setzt noch mal nach. „Und wenn meine Kinder auf der Autobahn Durst bekommen, dann muss ich die Dosen bis zur nächsten Fahrt aufheben. Das ist doch eine Schweinerei.“ – „So wie du aussiehst, hast du gar keine Kinder“, antworte ich. „Na und, das war ja auch nur ein Beispiel.“ – „Weißt du was, kauf dir ne BZ und sei ruhig“, sage ich schlecht gelaunt.

SARAH SCHMIDT