Abfertigung im Stil einer Spitzenelf

Beim 4 : 1 gegen Arminia Bielefeld sieht Felix Magaths VfL Wolfsburg wie eine Klassemannschaft aus. Ist der VfL schon eine? Magath jedenfalls erklärte das Spiel als „eine der besten Leistungen, die wir bisher gebracht haben“

Wenn das Spiel noch läuft und auf den Rängen bereits „Oh, wie ist das schön“ gesungen wird, kann man davon ausgehen, dass erstens ein klares Ergebnis da ist und es zweitens für einen Teil des Publikums wirklich außergewöhnlich schön ist.

So verhielt es sich auch in der VW-Arena am vergangenen Samstag beim 4 : 1 (2:0) des VfL über Arminia Bielefeld. Nur dass die Gesänge aus dem Block der Arminen-Fans kamen, wo sie entweder ihren Frust in Zynismus verwandelten – oder tatsächlich froh waren, dass sie nicht noch eine viel größere Packung gekriegt hatten. Zvjezdan Misimović (5., 34.) Alexander Madlung (54.) und Grafite (64.) trafen für den VfL, Alexander Laas (60.) für Bielefeld.

„Eine der besten Leistungen, die wir bisher gebracht haben“, nannte Trainer und Manager Felix Magath das Spektakel. Wolfsburg erspielte sich – vor allem als die großen, kräftigen Stoßstürmer Grafite und Džeko noch auf dem Feld waren – Chancen für drei oder vier Spiele, beziehungsweise die Arminia ließ sie zu. Die Älteren werden sich erinnern, dass unter Vorgänger Augenthaler, allerdings auf niedrigerem Kaderniveau, zwei Chancen pro Spiel bereits Grund zur Freude waren, von „herausgespielt“ gar nicht zu reden.

Aus Wolfsburger Sicht ist das Spiel ein Beweis oder zumindest starkes Indiz, dass der VfL nach 15 Monaten Magath stabil in einer höheren Klasse anzusiedeln ist. Auch höher als das Ende der letzten Saison, in der man etwas überraschend noch Fünfter wurde. Magaths sehr physischer Teamfußball und die individuelle Klasse der Spieler wirken so zusammen, dass man einen Gegner wie die Arminia „im Stile einer Spitzenelf“ (Magath) abfertigt, wenn der nicht hundertprozentig auf der Höhe ist – und das, ohne alle Möglichkeiten annähernd ausgereizt zu haben.

Aus Bielefelder Sicht muss man sich die erwartbaren Sorgen machen. Es war die fünfte Niederlage im achten Saisonspiel. Zur notorischen Auswärtsschwäche kam ein ungewohnter Mangel an defensiver Kompaktheit sowie Zweikampfschwäche, vor allem in der Luft gegen die stets von Misimović ausgeführten und häufig gefährlichen Wolfsburger Standards. Trainer Michael Frontzeck konzedierte mit bitterer Miene den Klassenunterschied, wies aber daraufhin, dass die Arminen ansonsten nur gegen den HSV (2 : 4) ähnlich defensivschwach gewesen seien.

Was mit diesem VfL schon alles geht, könnte man am Samstag beim FC Bayern München erfahren – wenn, anders als bisher bei solchen Gelegenheiten, die Beine und Köpfe mitmachen. „Wenn man die Tabelle anschaut, reicht ein Punkt nicht“, sagte Zvjezdan Misimović in der Mixed-Zone, den Blick auf einen Monitor fixiert, der eben diese Tabelle zeigte. Misimović könnte man zum Heldenfußballer dieses Spiels ausrufen wollen, da er die ersten beiden Treffer erzielt hatte. In Wahrheit ist der vom 1. FC Nürnberg gekommene bosnische Kreativspieler die Weiterentwicklung des Teams weg vom Heldenfußball, den sein Vorgänger Marcelinho zumindest noch repräsentierte, auch wenn er sich am Ende längst eingeordnet hatte. Aber Misimović trägt zwar die gute, alte „10“, seine wesentliche Leistung besteht möglicherweise in der weiteren Beschleunigung des Offensivspiels.

Selbstredend stellt sich nach so einer Darbietung mancher die Frage, ob das PotenZial des Teams schon für ganz oben reicht? Fangfrage. „Jooo...“, sagte Misimovic, „wo wir jetzt stehen, ist okay …“, nämlich auf dem Saisonzielplatz fünf, „aber …“, aber was? „Wenn wir abrufen, was wir können, hat es kein Gegner leicht mit uns.“ Für Felix Magath kommen jetzt „Wochen, wo wir zeigen können, dass wir das Zeug haben“. Das spektakulär Neue: Das ist jetzt eine realistische Möglichkeit. PETER UNFRIED